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The Hydra’s Tailor

Moderner Progressive Metal ist vor Stereotypen genauso wenig sicher wie jeder andere Musikstil. Vielleicht sind die Erwartungen „anders“ zu sein sogar besonders hoch, man könnte den Progressive-Fans unterstellen, daß sie besonders wählerisch sind. Niemand, der auf Prog-Metal steht, möchte den 183. Abklatsch von Dream Theater hören, denn das ist alles andere als progressiv. In dieser Gefahr stehen Deadly Circus Fire aus London allerdings nicht im entferntesten. Das 2009 gegründete Quartett, das sich nach einem berühmt-tragischen Eisenbahnunglück in den USA benannt hat, hat bereits mit dem Debütalbum „The King And The Bishop“ vor zwei Jahren für sehr viel begeisterte Aufmerksamkeit in Presse und Underground auf der Insel gesorgt. Natürlich sind die prägenden Vorbilder wie bei jeder anderen Band auch hier irgendwie spür- und hörbar. Deadly Circus Fire erinnern an die Deftones, Dredg, Tool und Mastodon. Auch die aufregende Polyrhythmik von neueren Prog-Metal-Bands wie Tesseract oder Periphery findet sich bei den Briten. Oder Between The Buried And Me, die in drei Wochen ebenfalls ein Neues Album herausbringen. Doch nun sind eben erst einmal Deady Circus Fire mit „The Hydra’s Tailor“ an der Reihe.

Und die Londoner sind eben nicht nur ein uninspirierter Klon einer dieser Bands. Nein, die Gruppe um Bandgründer und Gitarrist Save Addario macht ihr absolut eigenes Ding. Vielseitig, stimmungsvoll und musikalisch auf höchstem Niveau. ‚Animal‘ gibt nach der 2-Minuten-Ballade ‚In Darkness We Trust‘ genau die oben erwähnte Richtung vor: „Schräge“ Riffs und Trommeln in wechselnden Taktarten, melodiöse Leads im Hintergrund und vor allem der Gesang wecken die Neugier. Der erinnert mit seinem Wechselspiel aus wehmütigem Klargesang und derben Screams und Growls wie bei ‚Where It Lies‘ zwar eigentlich eher an die eine oder andere melodische Metalcore-Band. Doch das was die Gentlemen hier machen, hat nichts mit Metalcore zu tun. Hier ist nichts generisch oder vorhersehbar. Im Gegenteil: Es möchte viel aufregendes entdeckt werden auf „The Hydra’s Tailor“. Besonders faszinierend und gelungen ist die Dualität aus disharmonisch-psychedelischer Härte und melancholisch-quälender Ruhe, die sich nicht nur im Gesang, sondern auch grundsätzlich ein prägendes Merkmal des spannenden Albums ist. ‚Aeden‘ erinnert an das großartige „Catch Without Arms“ von Dredg, das inzwischen auch schon 10 Jahre auf dem Buckel hat, der Anfang von ‚Victim‘ an Mastodon, ‚House of Plagues‘ an Tool. Aber eben immer genau dann, wenn auch nur ein Hauch von Vertrautheit aufkommt, kann man sicher sein, daß Deadly Circus Fire mit der nächsten unerwarteten Überraschung um die Ecke biegen. Zum Beispiel, wie eine Indie-Rock-Band aus Spanien zu klingen. Nur kurz natürlich. Im Kern ist das hier Progressive Metal. Ziemlich groß, sehr aufregend, tiefgehend. Irgendwie. Es sind genügend Namen angeklungen, die die Richtung vorgeben. Nichts wie ran an Deadly Circus Fire.

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