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Unsere Stadt brennt

‚Wie viel Pop darf Punk? Wie viel Politik verträgt eine anständige Party? Wenn es nach Radio Havanna geht: Eine Menge!‘ lautet der offizielle Promo-Text für ‚Unsere Stadt brennt‘, dem neuen Album der Berliner Rockband Radio Havanna. Ich hingegen bin der Meinung, wenn Musik so brav und bieder daherkommt, dass sie auch als Hintergrundbeschallung beim Kaffeekränzchen mit der Oma taugt, hat sie mit Punk recht wenig am Hut. Wer bei dem Bandnamen, der dem gleichlautenden Song von Rancid entlehnt ist, auf derbes Akkordgeschrammel und unbequeme Texte aus rauen Kehlen hofft, liegt weit daneben. Stattdessen bekommt der Hörer in ‚Unsere Stadt brennt‘ vor allem radiofreundlichen und kantenlosen Pop-Rock mit einer Prise politisch korrekter Sozialkritik geliefert, welche gerade noch so eine Einordnung in die Subkategorie Punk ermöglicht.

Nun ist Punk natürlich bei Weitem kein Gütesiegel für Qualität und auch Popmusik muss nicht schlecht sein, nur weil sie bei Indie-Fans einen miesen Ruf genießt. In der Tat kann man Radio Havanna kaum vorwerfen ihre Instrumente nicht zu beherrschen oder dem Sänger eine schlechte Stimme bescheinigen. Was die Band aber nicht schafft (oder vielleicht auch gar nicht anstrebt), ist es, durch einen eigenen Stil aus dem Wust der Deutschrockbands hervorzustechen. Man wird das Gefühl nicht los, alles bereits schon einmal gehört zu haben. Der Refrain von ‚Phantom‘ lässt einen unweigerlich an Die Toten Hosen denken und in der Tat klingt Fichte hier genau wie Campino. Die Strophenmelodie von ‚Kaputt‘ ist hingegen eins-zu-eins dieselbe wie die von ‚Know Your History‘ der kalifornischen Hardcore-Band Ignite. ‚Raketen‘ wiederum könnte auch auf jeder x-beliebigen Studentenparty laufen und erinnert bis hin zur überkorrekten Intonation an Sportfreunde Stiller. Kommt euch die Melodie des Refrains von ‚Sturm‘ bekannt vor? Sollten sie, denn sie klingt genau wie die des vorherigen Tracks ‚Komm zurück‘. Immerhin wurde hier das eigene Material recycelt…

Wer sich an alledem nicht stört und kein Problem damit hat, bereits bekannte Klänge in neuer Kombination zu hören, bekommt immerhin ein gut produziertes Rockalbum mit Fuß-Wipp-Faktor. Das Feuer, welches der Albumname impliziert, sucht man hingegen vergeblich. Die einzigen beiden Titel, die noch am entferntesten an Punk erinnern und zum Mitrocken animieren, sind das bereits erwähnte ‚Kaputt‘ sowie der obligatorische Anti-Diskriminierungs-Song ‚Unnormal‘, welcher auf keinem Deutschpunk-Album fehlen darf. Kurioser Weise scheinen die Ex-Suhler ihre eigene Botschaft nicht so ganz ernst zu nehmen, wenn sie ihrem Heimatort im nächsten Titel Geisterstadt attestieren, nur noch von ‚Rentnern und Nazis‘ bevölkert zu sein und damit irgendwie beide Gruppen in einen Topf werfen. Auweia. Das neue Album versucht, ein möglichst breites musikalisches Spektrum abzudecken, um damit sowohl bei Punks, Studenten und Düsseldorfer Altrockern zu punkten. Das Ergebnis ist nichts Halbes und nichts Ganzes. Die Stadt mag brennen, doch der Funke springt nicht über.

verfasst von sXeric

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