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The White Sea

Obwohl der Bandname und die grünhäutige, einäugige, barbusige Amazone auf dem Cover eine weibliche Besetzung zu implizieren scheint (She-Devils?), handelt es sich bei den Shevils um eine reine Herrenveranstaltung. Die vierköpfige Truppe aus Oslo macht Hardcore, den man wohl als experimentell bezeichnen kann. Diesen Eindruck vermittelt auch die ungewöhnliche Biographie auf der offiziellen Seite der Gruppe. Da ist die Rede von einer ‚Immuntherapie, um die Erdlinge von ihrem Unvermögen zu heilen, zu harter Musik zu tanzen‘ und davon, im Shevils-Labor die ‚DNS der Musikzellen der Patienten zu ändern‘. Alles sehr ‚trippy‘ irgendwie aber durchaus im Sinne der Erfinder. Das neue Album der Norweger heißt ‚The White Sea‘ und das Cover steht wie ein visuelles Ausrufezeichen hinter dem abgedrehten Konzept der Band.

Stilistisch gesehen liegt der Sound der Shevils irgendwo zwischen Hardcore-Punk, Sludge-Rock und Refuseds 1998-Release ‚The Shape Of Punk To Come‘. Diese Mischung wird durch den Einsatz genreuntypischer Instrumente ergänzt. So hört man in ‚We Could Leave The World‘ und ‚Death Of Silence‘ ein Ensemble aus Bongotrommeln. Zudem ist der Synthesizer ein steter Begleiter. Die Atmosphäre ist durchgängig düster bis apokalyptisch. Gitarre und Bass sind bis zum Anschlag verzerrt; die Melodien häufig dissonant und gewollt unbequem. In dieses Klangbett aus Stacheln und Dornen fällt die kreischende Stimme von Andres Voldronning, die zuweilen klingt wie ein unter der Folter hervorgebrachtes Martyrium in Gesangsform (oder alternativ, wie Wes Eisold von Give Up The Ghost). ‚The White Sea‘ eignet sich daher weniger zum Abschalten und dahin schwelgen, sondern eher um sich mental auf den Tag des Jüngsten Gerichts vorzubereiten.

Titel wie ‚When Will I See You Again?‘ vermögen den Hörer mit treibenden Melodien und einem interessanten Kontrast zwischen tiefem Bass und hohen Gitarren regelrecht in einen dystopischen Strudel hinein zu ziehen. Ähnlich verhält es sich bei ‚Black Summer‘, das ebenfalls eine angenehme Dynamik erzeugt und fast schon epischen Charakter aufweist. Andere Lieder wie ‚We Could Leave The World‘ zeigen die Liebe zu abgestoppten Akkorden und die Nähe zum Rock. Am ehesten in die Hardcore-Schiene fällt wohl noch der Opener ‚I Wear The Skies‘, der auch der kürzeste Song des Albums ist. Am heftigsten und schleppendsten ist der titelgebende Track, der das Album ausklingen lässt. Er erstreckt sich über fünf Minuten und verdeutlicht ein Problem, das die Platte hat: die Songs sind zuweilen etwas zu lang und neigen zur Wiederholung bereits bekannter Abschnitte, ohne Progression erkennen zu lassen. So entsteht der Eindruck, einige Titel beginnen nach der Hälfte der Spielzeit noch einmal von vorne. Wer von Weltuntergangsstimmung und schreiender Agonie und Verzweiflung nicht genug bekommen kann, dürfte mit ‚The White Sea‘ aber gut bedient werden.

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