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Sonnentanz/Last Party (Vinyl-Reissues)

Zeitgleich mit den letzten beiden Studioalben der Band werden, als letzte Staffel der „Black & White“-Serie, auch die beiden letzten Livealben der ursprünglichen Grobschnitt-History veröffentlicht. Das 1985 veröffentlichte „Sonnentanz“ enthielt ein damals aktuelles „Update“ des Kultsongs „Solar Music“, während „Last Party“ die Abschiedstour der Band dokumentierte. Wir haben die beiden – mit massenweise Bonusmaterial ausgestatteten – Alben für Euch noch einmal um die Lupe genommen.

‚Solar Music‘ ist das Magnum Opus von Grobschnitt, da wird wohl kaum ein Fan der Band widersprechen. Ein Grund für die Langlebigkeit des Songs ist natürlich seine Länge – schon die ursprüngliche Studioversion zog sich in 33 Minuten über zwei Plattenseiten, spätere Liveperformances konnten sich durchaus der 60-Minuten-Marke nähern. Der andere Grund ist die stetige Weiterentwicklung des Songs. Da große Teile von ‚Solar Music‘ auf Improvisation fußten, kamen ständig neue Parts hinzu, andere Parts wurden teilweise umgeschrieben oder ganz entfernt – kurz, was zwischen den immer wiederkehrenden musikalischen Hauptthemen des Songs passierte, war von Jahr zu Jahr anders. Zweimal war die Veränderung so groß, das der Song gar einen neuen Untertitel verpasst bekam: Anfang der Achtziger hieß es ‚Powerplay‘, Mitte der Achtziger wurde es zum ‚Sonnentanz‘ – und somit zum Mittelpunkt des gleichnamigen Albums. Passend zur straighteren Ausrichtung der Band zeigte sich „Sonnentanz“ auch gestrafft und ein wenig durchkomponierter. Improvisiert wurde freilich immer noch viel, aber Neu-Drummer Peter Jureit zeigt sich weniger verspielt als sein Vorgänger Eroc und unterlegt große Teile der Neufassung mit treibenden und durchaus harten Rock-Grooves, die in interessantem Kontrast zu vielen entschleunigten meditativen Parts stehen. Sogar Akustikgitarrenparts und Saxophon-Soli fanden sich hier wieder, Wildschwein, Milla Kapolke und Toni Moff Mollo teilten sich die ausgiebigen Gesangspassagen. Dazwischen gab’s weiterhin massiv feine Gitarrensoli von Lupo, der damals scheinbar auch von diversen hart rockenden Kollegen beeinflusst wurde: so aggressiv wie auf „Sonnentanz“ hat er selten gespielt. Natürlich verliert er aber nie die für ihn typische Melodieverliebtheit und das „kosmische“ Feeling aus den Augen. Gerade das „Sonnentanz“-Album sollte jeden Zweifler davon überzeugen, dass es sich bei Lupo um einen der originellsten, eigenständigsten und emotionalsten Gitarrenhelden des Landes handelt – und auch auf internationaler Ebene sträflich unterbewertet. Auf der Bonus-LP finden sich die gleichen Aufnahmen wie auf der „79:10“-CD-Ausgabe: drei Songs, die ursprünglich vom  SWR in Meschede aufgenommen wurden und die Mastering-Spezi Eroc von zerfallenden Mastertapes gerettet hat. Darunter auch der damals regelmäßig live gespielte, aber nicht veröffentlichte Song ‚Go For Love‘, ein ziemlich knackiges Stück Mittachtziger-Rock, das als Single durchaus das Potenzial gehabt hätte, Grobschnitt einen waschechten AOR-Hit zu verschaffen.

Wo „Sonnentanz“ auch im Original höchst populär ist, kommt das 1990 veröffentlichte „Last Party“ , welches die erste Phase der Bandgeschichte beschloß, meist nicht so gut weg. Neben der Songauswahl (Geschmacksfrage!) wird oft der etwas matschige Sound kritisiert. Das Remaster hat bei der letzten CD-Version ja schon Einiges gutgemacht – dennoch, so sauber wie „Solar Music Live“ oder „Volle Molle“ klingt „Last Party“ natürlich immer noch nicht. Da müßte wohl ein kompletter Eroc-Remix her (zwinker-zwinker). Die Krux bei der Vinyl-Fassung von „Last Party“ ist aber natürlich immer die begrenzte Spielzeit. Schon die ursprüngliche CD-Fassung enthielt, wie das Anfang der 1990er üblich war, zwei Bonustracks und ausgedehntere Ansagen, für die „Black & White“-Serie wurde authentischerweise die originale Acht-Song-Reihenfolge der LP übernommen. Das Hauptaugenmerk liegt auf den kurzen, eingängigen Songs, gleich viereinhalb davon stammen von der „Illegal“- Scheibe(der Titelsong ist im Medley mit ‚Razzia‘ enthalten), zwei von „Kinder und Narren“ und nur eines (‚Anywhere‘) aus den Siebzigern.  Was auf jeden Fall beeindruckt ist die ganz klar in Hardrock-Gefilde vordringende Performance, speziell ‚Keine Angst‘ und das ‚Razzia/Illegal‘-Medley werden überraschend heavy gespielt, auch wenn aufgrund des Gesamtsounds die Gitarren etwas  dumpf klingen. Das Gebrate wird Grobschnitt-typisch mit dem zarten, von Akustikgitarren dominierten ‚Anywhere‘ und einem ausgedehnten ‚Mary Green‘ kombiniert – nur eben lange, konzertante Prog-Kompositionen gab’s keine. Dafür gibt’s auf dem Bonusalbum die – Reunions ausgeklammert – die allerletzte Liveperformance von ‚Sonnentanz‘ überhaupt vom Abschiedskonzert in Hagen – satte 52 Minuten lang, als habe die Band versucht, dieses letzte Mal so intensiv auszukosten wie nur möglich. Bei besagtem Abschiedsgig standen übrigens neben der damals aktuellen Besetzung auch diverse Ehemalige mit auf der Bühne: Eroc, Milla (dessen Auftritt bei ‚Sonnentanz‘ hier verewigt ist), Mist, Hunter – das im Begleitheft zu sehende Foto des „Klassentreffens“  dürfte den einen oder anderen Fan damals wie heute zu einem verstohlenen Tränchen rühren, speziell in Verbindung mit Lupos emotionalen Sleevenotes. Wäre irgendwie schon fein, wenn irgendjemand im Umfeld der Band sich dazu durchringen könnte, das restliche Material des letzten Gigs für ein ungekürztes Mega-Box-Set aufzubereiten (nochmal zwinker-zwinker).

Mit diesen beiden Alben wird also die „Black&White“-Serie beschlossen. Eine vergleichbareVinyl- Reissue-Serie hat es meines Wissens bislang nicht gegeben, Grobschnitt und Universal haben mit dieser Reihe nach der „79:10“-Box ganz klar erneut einen Maßstab gesetzt. Bedenkt man, wie rar der komplette Grobschnitt-Katalog noch  vor fünf Jahren war, kann man nur den Hut ziehen. Besser kann man eine geschichtliche Aufarbeitung eigentlich nicht machen. Chapeau – und Wobbedidada. Natürlich.

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