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Soen – Von ehrlicher Musik, echten Emotionen und ganzer Hingabe

Auf die häufig genannten Vergleiche des Sounds der Band angesprochen und wie es ihm damit gehe, sind Lopez und Ekelöf dann auch gleich mitten im Gespräch.
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„Natürlich ist das ein Kompliment für uns! Schließlich sind Tool oder System of a Down fantastische Bands. Da ist es auf keinen Fall irgendwie komisch, mit solchen Gruppen verglichen zu werden. Mit Bands verglichen zu werden, die wir nicht mögen, würde sich da schon schräger anfühlen“

, sinniert Martin.

„Es stört uns nie, wenn uns Leute mit anderen Bands vergleichen“

, ergänzt Ekelöf.

„Das ist doch nett, und schließlich muß sich jeder auch irgendwie orientieren. Das ist es doch schließlich, was man tut. Man hört sich eine Band an und schon kommen einem Vergleiche in den Sinn. Und zu Bands, die einen an andere Gruppen erinnern, die man gerne mag, findet man natürlich auch viel leichter einen Zugang. Wenn allerdings beispielsweise jemand sagen würde, wir klängen genau wie Sabaton, dann würde mich das schon irgendwie treffen.“

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„Man kann natürlich nicht bestreiten, daß wir eine Gruppe sind die Progressive Rockmusik macht. Aber als wir mit der Band angefangen haben, war die Idee eine Metalband zu sein, deren Musik stark auf Gefühlen basiert. Zu der Zeit gab es einige Bands, die mit diesem nennen wir es mal „Modern Progressive Rock“ begannen. Es gab also eine richtige kleine Bewegung und wir waren ein Teil davon. Es ist völlig okay für uns in diese „Schublade“ gepackt zu werden, vor allem weil die meisten dieser Bands, die beispielsweise auch hier auf dem Festival spielen, sehr hohe Qualität abliefern. Andererseits finde ich, daß wir um einiges geradliniger sind. Bei uns gehts nicht um die pure Technik und schicke Arrangements – alles dreht sich um die Emotionen. Power und Emotionen“

, beschreibt Lopez seine Einstellung zu den Genrezuschreibeungen.

Apropos Emotionen. Ein besonderes Merkmal der Band ist der ruhige, klare Gesang von Akelöf, der im starken, dynamischen Gegensatz zum Metal-Sound der anderen Musiker steht. Bei allem Reiz des anderen kann das beim Zielpublikum schlecht ankommen. Lopez ehemaliger Bandkollege Mikael Akerfeldt kann davon ein Liedchen singen. Die Enttäuschung bei vielen Hardcore-Metal-Fans von Opeth war groß, als die Schweden 2011 mit ihrem Album „Heritage“ einen stilistischen Richtungswechsel vollzogen. Auf der Heritage-Tour, auf der Akerfeldt nicht einen einzigen der alten Songs mit Growls zum besten gab, konnte man teils wütende Bemerkungen über weichgespülten „Pussy-Rock“ hören. Wie diese Entscheidung zustande gekommen sei, ob es ein gezielter Entschluss gewesen sei, wollen wir von den beiden Musikern wissen.
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„Als Martin damals auf mich zukam, als wir über die Gründung der Band sprachen, ging es nie darum, einfach nur möglichst brutal zu sein“

, erinnert sich Ekelöf zurück.

„Sowohl Joel als auch ich mögen im Bezug auf die emotionale Qualität die gleiche Art von Musik. Obwohl wir aus zwei völlig unterschiedlichen musikalischen Welten kommen. Es gibt einige wenige Bands, die wir beide hören, aber davon abgesehen haben wir stilistisch einen ziemlich unterschiedlichen Musikgeschmack. Aber auf der emotionalen Ebene haben wir eine gemeinsame Verbindung gefunden. Und als es dann herumprobierten, war das Aufeinandertreffen seiner sehr sanften Art zu singen und der Musik, die ich dazu schrieb, sehr spannend für uns. Also haben wir uns entschieden, der Band eine Chance zu geben. Und mit dem, was wir diesbezüglich bisher zusammen auf die Beine gestellt haben, sind wir mehr als zufrieden. „Tellurian“ geht noch mehr in diese Richtung als unser debür „Cognitive“. Es war also keine Entscheidung, die wir im Voraus getroffen hatten, sondern etwas was sich so am Anfang ergeben hat. Da war diese Verbindung und wie spürten beide, daß es genau das ist, was wir tun mussten. Scheiß auf alles andere! Diese Art von Musik zu machen, ist das ehrlichste, was man als Musiker tun kann. Da ist nichts außer Liebe und Leidenschaft für das, was man tut. Und das mit Leuten zu teilen, denen es genauso geht. Musik zu schreiben und darauf zu hoffen, einen Millionenhit zu landen ist nicht nur total bar jeglicher Realität, es ist auch unehrlich. Man sollte einfach nur das tun, was man liebt und sich nicht um den Rest scheren“

, führt der Schlagzeuger den Gedanken zu Ende.

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Eine natürlich gewachsene Band, die nach anfänglichem Experimentieren feststellt, daß die Chemie musikalisch und zwischenmenschlich stimmt. Und dann ganz bewußt entscheidet, die Sache weiter zu verfolgen. Das ist weit weg von dem, wie heute im Mainstream Bands zusammengecastet werden, um damit Geld zu verdienen. In der Rockmusik ist das nicht immer so, im Progressive Rock schon viel eher. Prog-Musiker sind Musik-Nerds. Als Band zusammengewachsen und davon hat dann im weiteren die Musik profitiert?

„Ja genau, es hat sich dann einfach alles ganz entspannt angefühlt, verstehst du?“

, sinniert Lopez.

„Am Anfang war uns nicht so klar, wie ernst wir es mit der Band meinen. Da war Steve (Di Giorgio, Bassist) aus den USA und ich war mir nicht wirklich klar darüber, ob ich meine Karriere als Schlagzeuger wieder aufnehmen wollte. Wir haben uns also getroffen und einfach das Album aufgenommen, um zu schauen, wie es sich anfühlt. Joel und ich hatten dann schnell einen Draht zueinander und erst dann entschieden wir uns ganz bewußt, uns der Herausforderung zu stellen. Uns ganz bewußt dem ganzen Scheiß auszusetzen, durch den du nun mal durch musst, wenn du ne Band hast. Und dann noch eine Stufe weiterzugehen – einfach weil es uns so viel gibt.“

„Man braucht ganz schön Eier, um sich heute für eine Karriere als Musiker zu entscheiden“

, philosophiert Ekelöf.

„Aber wenn man es nicht aus ganzem Herzen tut, dann kann man es auch gleich bleiben lassen“

, ergänzt Lopez.

„Man muß seine ganze Zeit investieren für eine Band, wie wir es jetzt sind, denn es ist jede Menge Arbeit. Ich möchte mich beschweren, es ist uch keine Folter, weil wir es lieben. Aber wenn du dich entscheidest, dann ganz oder gar nicht. Es gibt keine Abkürzungen oder lockeren Weg. Alles geben oder Scheiß drauf! Kein Mensch braucht eine weitere mittelmäßige Band! Und Spaß macht es auch nicht.“

„Die Rückmeldungen von den Leuten, die auf unsere Konzerte kommen, geben uns recht. Die sind sehr dabei, ich kann das fühlen wenn wir auf Tour sind. Sie kennen die Lieder und singen mit. Viele von ihnen scheinen die Band ganz aktiv kennengelernt zu haben. Und das ist natürlich auch eine unheimliche Bestätigung und eine große Motivation so weiter zu machen

„, schildert Akelöf das Feedback auf Band und Alben.

„Jeder Fan, der nach einem Konzert auf dich zukommt und dir erzählt, daß ihnen die Musik wirklich etwas bedeutet, gibt dir einen unglaublichen Schub, weiterzumachen“

, bestätigt Martin.

Ob sie denn eine politische Band seien, wollen wir zum Ende des Interviews im Bezug auf die rebellisch-politischen Texte einiger Songs wissen. Und ob es überhaupt Sinn mache oder es irgendetwas ändere, in einem Rocksong politische Statements abzugeben. „Tabula Rasa“ vom aktuellen Album zeigt im zugehörigen Musikvideo und auch beim Liedtext große Wut und Frustration über die Dinge, die in der Welt falsch laufen. Da ist die Rede davon, das System zu zerschlagen und neu aufzubauen. Aber die Mächtigen setzen sich ja schon seit eh und je für ihre eigenen Interessen ein. Und selbst, wenn 2015 besonders viel schief zu laufen scheint – Revolution durch Musik?

„Eigentlich kann man es in einem einzigen Satz zusammenfassen: Was für ’ne Scheiße läuft hier eigentlich?“ Diese Spannung fühlen doch 90 Prozent der Leute. Da ist was nicht okay, so kann das nicht weitergehen. Und je älter man wird, desto mehr versteht man auch die Zusammenhänge. Wenn man dann darüber nachdenkt, kommt man schnell zu der Einsicht, daß das alles ein riesiger Witz ist. Wir sind Puppen“,

empört sich Lopez.

„Authoritäten in Frage zu stellen, ist ein erster Schritt. Darum geht es uns“

, pflichtet Ekelöf seinem Freund bei.

„Nicht einfach das zu tun, was einem gesagt wird. Erst einmal selber nachzudenken. Warum mache ich das eigentlich? Was ist die Motivation des anderen, mir zu sagen, daß ich dies oder jenes tun soll? Ist das richtig? Ist es falsch? Manchmal muß man einfach das tun, was sich für einen selbst richtig anfühlt. Seine eigenen Entscheidungen treffen.“

So gesehen ist also zweifellos genug Stoff für weitere Soen Alben vorhanden. Irgendwie schön zu wissen.

Interview und Übersetzung: Daniel Frick
Fotos: Michael Buch

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