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NEW MODEL ARMY – Sinfonia

Vor einem Jahr hatten New Model Army zu einem Konzert der besonderen Art nach Berlin ins Tempodrom gebeten. Dabei spielte die Band nicht nur mehrere Songs, die eher selten auf ihren Live-Setlists stehen. Die Briten hatten sich zudem Unterstützung von Sinfonia Leipzig geholt, einem knapp 40-köpfigen Orchester mit klassischer Instrumentierung. Zu dem einmaligen Event waren Fans aus aller Welt angereist – und alle Welt kann sich nun das ganze Konzert per Album anhören.

Als ein „Treffen zweier Welten“ bezeichnet Sänger Justin Sullivan die Aufführung. Und doch scheint es irgendwie auch selbstverständlich. Denn der Bombast eines ganzen Sinfonieorchesters unterstreicht etwas, was in vielen Songs von New Model Army bereits angelegt ist. Deren Spannungsbögen wurden beim Konzert am 15. Juli 2022 maximal ausgefüllt. Die Stücke bekommen durch die Orchesterarrangements eine zusätzliche Tiefe und Dramatik, die selbst abgeklärten Zuhörern eine Gänsehaut verschaffen dürfte.

Bei allen Streichern und Bläsern wird auf „Sinfonia“ aber auch einmal mehr deutlich, wie wichtig das Schlagzeug und damit Michael Dean für den typischen New-Model-Army-Sound ist. Bei Songs wie „Did You Make It Safe?“, „Passing Through“ oder „Guessing“ scheint er und nicht Dirigent Cornelius During die dringliche Führung des Orchesters zu übernehmen. Selbiges steht dem aber freilich in nichts nach und verleiht wiederum Stücken wie „Devil“ oder „Orange Tree Roads“ eine Rock-Dynamik, vor der jede Band des Genres gerne den Hut ziehen darf.

So manches ruhigere Stück haben die Orchester-Arrangements allerdings eher übersteuert. „Winter“ etwa ist eher irritierend und will einfach kein homogenes Ganzes ergeben. Und Ähnliches gilt für „Marry The Sea“, bei dem auch Sullivan selbst mit seinem Einsatz kämpfte. Sehr gelungen ist hingegen „Green And Grey“, an dem von allen Songs auf der Setlist wohl die meisten Veränderungen vorgenommen wurden.

In mittlerweile schon 43 Jahren Bandgeschichte haben sich New Model Army immer wieder besondere Projekte einfallen lassen, um ihre Diskografie und Live-Konzerte aufzuhübschen. Auf „Sinfonia“ ist zu hören, dass auch dieses Experiment der Band wie dem Publikum gleichermaßen Spaß gemacht hat. Auf jeden Fall brachte es eine neue Spannung mit sich, wenn auch eingefleischte Fans eben mal nicht jeden Song gleich beim ersten Ton erkannten.

Für besagte Fans mag jedes Album von New Model Army eine Sinfonie sein. „Sinfonia“ ist trotzdem oder gerade deswegen ein ungewohntes und daher schönes Geschenk an die Hörerschaft. Allein, es ist zu lang. Alle 21 Stücke des Konzerts machen sich gut auf der zugehörigen DVD. Aber dem Album hätte eine gezielte Auswahl von maximal 15 Songs weit besser getan.

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