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Schwitzen mit den Blues Pills


Die rustikale Music Hall füllt sich schnell, und die stylischen Deckenventilatoren haben Schwerstarbeit zu verrichten. Dennoch ist heute Schwitzen angesagt, als knapp 500 Fans dicht an dicht gedrängt vor der mit bunten Vorhängen dekorierten Bühne ausharren. Aber Schweiß und Hitze passen wohl auch ganz gut zu der handgemachten bluesgeschwängerten Rockmusik, die bald schon aus den Boxen dröhnen soll.

Blues_Pills_klein1.jpg „Die Blues Pills haben es geschafft. Vor zwei Jahren berichteten wir euch erstmals über die schwedischen Newcomer um Frontfrau Elin Larsson und rezensierten ihren Longplayer. Im Interview stellten wir euch die Newcomer ausführlich vor. Seitdem ist viel geschehen, die Band hat sich durch unzählige Konzert- und Festivalauftritte eine treue Fangemeinde erspielt und veröffentlicht Anfang August nach Nachfolgealbum „Lady In Gold“.

Das Publikum ist bunt gemischt und reicht vom Metaller in der Jeanskutte über Jugendliche in Band-Shirts bis hin zu gesetzten älteren Herren, die ungefähr dreimal so alt wie die auftretende Sängerin sein dürften. Die hohe Zahl der Blues Pills T-Shirts unter den Besuchern legt den Schluss nahe, dass viele Fans nicht zum ersten Mal in Kontakt mit den schwedischen Bluesrockern kommen. Und sie müssen nicht lange warten. Kurz nach 20 Uhr ist es soweit: Elin Larsson und ihre vier männlichen Kollegen betreten ganz unspektakulär ohne großes Intro und ohne Vorband die Bühne und verwandeln die Music Hall in ein kleines Woodstock.

Blues_Pills_klein2.jpg „Vier Kollegen? Ja, richtig gelesen, denn neben dem jungen Gitarristen Dorian Sorriaux steht auch ein weiterer junger Mann mit im Rampenlicht, der die zweite Gitarre bedient und im weiteren Verlauf des Abends auch die Orgel spielen wird. Leider wird uns der Gastmusiker nicht vorgestellt. Elin Larsson hat zwar leichte Schwierigkeiten, den Namen „Worpswede“ auszusprechen, aber das macht überhaupt nichts. Schon nach wenigen Sekunden gibt die junge Schwedin alles und wird für die nächsten 75 Minuten kaum mehr einen Augenblick still stehen. Sie tänzelt über die Bühne, springt, beugt sich hinab zur ersten Reihe und wirbelt herum, dass die langen Haare nur so fliegen. Der tighte Rhythmus des Openers ‚High Class Woman‘ wird vom Bassisten Zack Anderson und dem Schlagzeuger André Kvarnström getragen, und schon jetzt zeigt sich, wie beeindruckend Elin Larssons Stimme auch live ist. Mit unbändiger Energie fegt sie im weißen Kleid und bis auf Nylonstrümpfe barfuß hin und her und beeindruckt sowohl als Rockröhre, wie auch bei den ruhigeren Nummern in der zweiten Konzerthälfte. Blues, Rock und Soul treffen bei Larsson aufeinander und machen sie zu einer der besten jungen Sängerinnen der aktuellen Szene.

Blues_Pills_klein3.jpg „Mit ‚Lady In Gold‘ und ‚You Gotta Try‘ gibt es zwei Songs des kommenden Albums zu hören, die sich nahtlos in das bestehende Blues Pills Repertoire einfügen. Mit ihren wehenden Haaren ist Elin Larsson heute selbst eine goldene Lady. Zudem wird der Song ‚Elements And Things‘ des amerikanischen Swamp-Rockers Tony Joe White in einer groovigen Version gecovert, die ebenfalls auf „Lady In Gold“ enthalten sein wird. Der Sound ist laut und druckvoll und insbesondere im späteren Konzertverlauf sehr „retro“, wenn die Hammond-Orgel zum Einsatz kommt. Hervorzuheben ist natürlich auch das junge Gitarren-Genie Dorian Sorriaux. Der Franzose bleibt im Gegensatz zu der agilen Frontfrau eher im Hintergrund und steht ruhig auf seiner Position, liefert aber musikalisch ein Feuerwerk der Gitarrenklänge vom Feinsten ab.

Die Blues Pills sind die legitimen Nachfolger von Bands wie den White Stripes oder, was Elin Larsson betrifft, der unvergessenen Janis Joplin. Die sympathische Sängerin fordert die Menge zum Tanzen auf, was trotz der Enge in der Halle auch ganz gut klappt. Sie singt den Titel ‚Bliss‘ in der schwedischen Muttersprache und freut sich sichtlich, heute in Worpswede auf Tour sein zu dürfen. sie erklärt, dass die deutschen Fans die Band immer besonders stark unterstützt haben und sie sehr dankbar dafür ist.

Blues_Pills_klein4.jpg „Zwei Songs werden am Anfang beziehungsweise am Ende durch instrumentale Jam-Passagen verlängert, ansonsten bleiben die Stücke übersichtlich und mehr oder weniger kompakt. Bei einer Band wie den Blues Pills hätte man sich noch mehr Improvisationen und auch längere Soli der einzelnen Musiker gewünscht, was nicht nur den hervorragenden Instrumentalisten mehr Gelegenheit zum Zeigen ihrer Künste gegeben, sondern auch die sehr knappe Konzertdauer noch etwas ausgedehnt hätte. Denn schon nach 75 Minuten ist Schluss für heute.

Leider – und das ist der einzige Minuspunkt des ansonsten gelungenen Abends – fehlt eine Bandvorstellung. Elin Larsson geht möglicherweise davon aus, dass jeder der Anwesenden ohnehin alle Bandmitglieder kennt, aber gerade im Hinblick auf den Neuzugang (?) an der zweiten Gitarre sowie auch aus gegebenem Respekt wäre es eine nette Geste gewesen, wenn jedes Bandmitglied noch seinen eigenen Applaus hätte bekommen können. So bleiben 75 extrem kurzweilige, laute und heiße Minuten psychedelischer Rockmusik mit einer tollen Frontfrau.

Als die Music Hall bereits um 21.30 Uhr ihr Publikum wieder in den heißen Sommerabend entlässt, ist es draußen noch hell. Auch mal etwas Neues nach einem Konzertabend.

Setlist Blues Pills, Music Hall Worpswede, 20.07.2016:

High Class Woman
Ain’t No Change
Black Smoke
Little Sun
Bliss
Astralplane
Lady In Gold
No Hope Left For Me
Gypsy (Chubby Checker Cover)
Elements And Things (Tony Joe White Cover)
You Gotta Try
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Someone To Love (Jefferson Airplane Cover)
Devil Man

Fotos: Michael Buch

Die komplette Fotostrecke zum Konzert findet ihr auf unserer Facebook Seite

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