Soul Survivor
Das vor zweieinhalb Jahren erschienene selbstbetitelte Debütalbum von Adrenaline Rush war eine echte Überraschung im Hardrock-Sektor. Denn trotz der Tatsache, daß es sich um Achtziger-beeinflussten Hardrock aus Schweden handelte, der noch dazu von Eclipse-Mastermind Erik Martensen produziert und mitkomponiert worden war, rockte das Album mit einer enormen Frische und klang überhaupt nicht nach den typischen Schwedenklischees.
Nun ist mit „Soul Survivor“ das Zweitwerk der Band da. Die Bandleaderin/Frontfrau Tåve Wanning, optisch der Inbegriff des sexy Rock’n’Roll-Chicks, hat sich als Co-Writer diesmal mit Unleashed (!) -Gitarrist Fredrik Folkare einen definitiv unerwarteten Partner ins Boot geholt. Das macht sich natürlich bisweilen auch in einem durchaus gesteigerten Härtelevel bemerkbar. Aber keine Angst, die Wikinger bleiben, wo sie sind. Tåves Gespür für poppige und eingängige Hooklines bleibt auch 2017 das hervorstechende Merkmal von Adrenaline Rush. Allerdings erinnert die musikalische Umsetzung dieses Mal nicht mehr so sehr an Lee Aaron, Femme Fatale und Bon Jovi, sondern positioniert sich teilweise schon eher im konventionellen Melodic Metal-Genre. Gerade die Gitarrenarbeit klingt teilweise enorm nach Edguy und Konsorten und somit leider ein gutes Stück konventioneller als auf dem Vorgänger. Das bedeutet aber nun beileibe nicht, daß „Soul Survivor“ ein Rohrkrepierer ist. Denn auch in Songs wie dem mit klar Within Temptation-mäßigen Strophen ausgestatteten Pathos-Schmachtfetzen ‚Sinner‘ und den Nickelback-mäßigen ‚Break The Silence‘ (dessen Refrain allerdings schwer nach dem gleichnamigen Pink Cream 69-Song klingt) und ‚Don’t Wake Me Up‘ schafft es Tåve dank ihres völlig unaufgesetzten Gesangsstils, der sich allen Metal-Klischees widersetzt, den Wiedererkennungswert hoch zu halten. Leider sind aber gerade die letzteren beiden Songs ein wenig arg platt ausgefallen und können es qualitativ nicht mit dem Rest der Scheibe aufnehmen. Vielleicht sollte sich Tåve in Zukunft eher von halbherzigen Modernisierungsversuchen fernhalten. Denn die Highlights sind trotzdem die Songs wie ‚Wild Side‘, ‚Breaking The Chains‘, ‚My Life‘ und ‚Crash‘, die, wenn auch heavier produziert, eher die Linie des Debütalbums fortführen und auch qualitativ daran anschließen können. Zum Glück sind diese auch deutlich in der Überzahl, weshalb sich jeder Fan des Erstlings auch „Soul Survivor“ ohne Bedenken ins Regal stellen kann.
Die hohen Erwartungen an den Zweitling können Adrenaline Rush und Tåve Manning dieses Mal also leider nicht ganz erfüllen. Da Tave aber letzten Monat gerade mal süße 25 Jahre alt geworden ist und – trotz bereits dreizehn Jahren im Profi-Geschäft – noch eine ganze Karriere vor sich hat, sei ihr verziehen. Denn nach wie vor punkten Adrenaline Rush mit jeder Menge Energie, Frische und unaufgesetzter Attitude und lassen damit die langweiligen, überproduzierten Schwedenhappen der Konkurrenz weit hinter sich. Und überhaupt, das zweite Album war auch bei Bon Jovi, Kiss und Def Leppard ein schwieriges Unterfangen – und vielleicht wird ja tatsächlich Adrenaline Rushs Drittwerk ihr persönliches „Slippery When Wet“ oder „Pyromania“… das Potenzial dafür haben Tåve und ihre Gang jedenfalls.