KETTCAR – „Oberhausen-Sterkrade“ ist schwierig zu singen
Kettcar haben vor acht Tagen ihr neuestes Werk „Gute Laune ungerecht verteilt“ (unser Album des Monats – hier die Kritik lesen) veröffentlicht, sind nach einer Woche dafür mit ihrer ersten Position 1 in den Charts belohnt worden. Die begleitende Tour führt das Quintett heute in die restlos ausverkaufte Turbinenhalle 2 nach Oberhausen. (Warum die 2 wichtig ist, erfahrt Ihr später!)
Den Abend eröffnen Kochkraft durch KMA, die mit ihren elektronischen Klängen für frischen Wind sorgen, allerdings nicht jeden in der Halle erreichen, da die Schnittmenge mit den Headliner doch eher marginal ist.
Um kurz nach 21.00 Uhr ist es dann so weit, das Saallicht erlischt, und Marcus Wiebusch, Erik Langer, Reimer Bustorff, Lars Wiebusch und Christian Hake begeben sich an ihre jeweiligen Arbeitsplätze.
Ein wenig Ironie schwingt bei den ersten Tönen mit, denn der Opener, trägt den alten Pauker-Spruch „Auch für mich 6. Stunde“ als Titel. Da es inhaltlich aber um ganz andere Themen geht, fällt den wenigsten dieser kleine Gag auf.
Die Herren -genauer Sänger Marcus Wiebusch und Bassist Reimer Bustorff- sind durchaus in Erzähllaune, und erinnern an frühere Auftritte in der und familiäre Verbindungen zur Stadt, und etlichen Storys aus fast 25 Jahren Bandgeschichte. Am amüsantesten wird es, als Reimer von seinem nachmittäglichen Spaziergang durch die Stadt erzählt, und wie er freudig nach der Rückkehr dem Veranstalter von all den Fans erzählt, die bereits um 13.00 Uhr mit ´nem Piccolo sich auf die Show vorbereiten würden. Tatsächlich waren es aber die Schlagerfans, die sich für die Turbinenhalle 1 -und die dortige Party- auf Betriebstemperatur brachten, wie ihm mit einem Augenzwinkern mitgeteilt wurde. Aber natürlich steht neben all der Plauderei die Musik im Vordergrund, und die Truppe spielt sich durch die gesamte Historie. Es gibt „Benzin und Kartoffelchips“, „Sommer ’89“, „Notiz an mich selbst“ und „Im Taxi weinen“ und natürlich ein paar (wenige) neue Lieder zu hören.
Musikalisch gibt es das typische Kettcar-Menü. Die Männer um Frontmann Wiebusch spielen sich unaufgeregt durch ihr Set. Es sind nicht ausufernde Soli oder wahnsinnig innovative Arrangements, die die Musik ausmachen. Die Instrumentierung dient stets der pointierten Untermalung des gesungenen Wortes, wobei man der Kapelle anmerkt, dass sie nach bereits ein paar wenigen Konzerten der Tour gut eigespielt ist. Einziges Manko ist teilweise der etwas schwierige Sound, der insbesondere den Gesang phasenweise nur begrenzt durchkommen lässt, was die Stimmung jedoch nicht trübt, das Publikum ist auch so textsicher genug. Ansonsten werden die Tracks visuell durch durchgehende auf der -den kompletten Bühnenhintergrund einnehmenden- Video-Wall gezeigte Filme zusätzlich in Szene gesetzt.
Bei der Ansage zur ersten Single aus „Gute Laune“ scherzen die Jungs, dass die Nummer eigentlich „Oberhausen, Sterkrade“ heißen sollte, es sich im Proberaum aber als zu schwierig zu singen erwiesen habe. Daher habe man aus der Not nun „München, Harlaching“ zum Refrain gemacht.
Nach ziemlich genau 90 Minuten kündigt Wiebusch den „letzten Song“ an (hier dürfen die Anführungszeichen wörtlich genommen werden, denn genau die zeigt er bei der Ansage an, nicht ohne anzumerken, dass man „immer den gleichen Scheiß erzählt“). Es folgt die obligatorische Hymne „Landungsbrücken raus“, die noch einmal alle Stimmbänder fordert. Nach der Ankündigung wenig überraschend, kommen die Herren nach ein paar Sekunden Backstage-Wartezeit noch einmal zurück, und liefern noch eine knappe halbe Stunde nach. Mit „Deiche“ und einem letzten Chor aus 1800 Kehlen ist dann aber wirklich die Messe gelesen.
Was bleibt? Einerseits ein wenig schade, dass die grandiose neue Platte mit nur fünf Titeln gewürdigt wurde, andererseits haben Kettcar es geschafft, ein nahezu perfektes Set zu kreieren, und die frischen Kompositionen passgenau in die Klassiker zu integrieren, und so restlos begeistere Menschen in die warme Aprilnacht verschwinden zu lassen.
SETLIST
Auch für mich 6. Stunde
Benzin und Kartoffelchips
Money Left to Burn
Balkon gegenüber
48 Stunden
Sommer ’89 (Er schnitt Löcher in den Zaun)
München
Rettung
Notiz an mich selbst
Balu
Ein Brief meines 20-jährigen Ichs (Jedes Ideal ist ein Richter)
Der Tag wird kommen
Doug & Florence
Ankunftshalle
Im Taxi weinen
Blaue Lagune, 21:45 Uhr
Kein Außen mehr
Landungsbrücken raus
Trostbrücke Süd
Auf den billigen Plätzen
Ich danke der Academy
Deiche
Fotocredit: Wollo@Whiskey-Soda