Say
Cairo aus England sind ein neues Neo-Progressive-Quintett, Bandleader ist der Touchstone-Gründer, -Sänger und Keyboarder Rob Cottingham. Cairo steht klar in der Tradition großer britischer Prog-Bands wie Pink Floyd, Genesis oder Yes und hat dabei einen klaren 80er-Jahre-Touch. Sicherlich hat auch Produzent John Mitchell (It Bites, Frost, Kino, Arena) seinen Stempel auf dem Konzeptalbum hinterlassen, der zuletzt mit Lonely Robot eine melodiöse Pop-Prog-Platte mit zauberhaftem Charme veröffentlicht hat. Das Cairo-Debüt „Say“ steht dann irgendwie auch in dieser Tradition. Wem Lonely Robot gefiel, der wird auch Cairo mögen.
Ihren besonderen Reiz ziehen die Songs der fünf Briten vor allem aus den Vocals, die sich Cottingham mit Sängerin Lisa Driscoll teilt, und die mit großartigen Melodien garniert sind. Die Keyboards sind bei Cairo sehr präsent, die Gitarren eher dezent und mit viel Hall-Effekten eingespielt. Auch das trägt zur träumerischen Pop-Atmosphäre der Songs bei, wobei natürlich die Grundrichtung im Rock verankert bleibt.
Das Album eröffnet mit einem orientalisch-proggigen Instrumental-Intro, gefolgt von einem langen, gesprochenen Prolog zum ersten Titel ‚Shadow’s Return‘. Das ist eine geballte Ladung, die den Auftakt alles andere als leicht verdaulich gestaltet. Zumal dann ‚Shadow’s Return‘ mit nur zweieinhalb Minuten kurz ausfällt. Der Song selbst gibt allerdings auf die eingeschlagene Richtung eine gute Vorschau. Es folgt mit ‚Wiped Out‘ mit seinen vertrackten Rhythmen ein weiterer Titel, der einem flüssigen Einstieg eher abträglich ist. Lange Rede, kurzer Sinn: „Say“ braucht trotz der Klasse der einzelnen Elemente um die zehn Minuten, bis die Scheibe mit dem Titeltrack richtig durchstartet. Der ist nämlich mit seinem Keyboard-Intro, dem satten Beat und den sich festsaugenden Hooks ein Ohrwurm mit Hitpotential. Spock’s Beard und Porcupine Tree lassen freundlich grüßen, auch im Bezug auf die Medienkritik im Text.
‚Nothing To Prove‘ ist ebenfalls sehr schick, hat teilweise fast tanzbare Beats und viel Keyboard und Stereo-Gesang. ‚Katrina‘ ist vom Hurricane 2005 in den USA inspiriert und eine melancholische Ballade mit einer Prise Kitsch. ‚Searching‘ und ‚Random Acts of Kindness Part I‘ verknüpfen das zuckersüße mit feinen Anleihen aus dem Electronica-Bereich, was den Perlen mit 80er-Retro-Feeling sehr gut zu Gesichte steht. ‚Back from the Wilderness‘ ist die zweite große Nummer auf dem Album – auch hier: tolle Hooklines, toller Dual-Gesang, verträumte Keyboards. Hach, wirklich zum Träumen. Mit einer Ballade an einen verstorbenen Freund von Cottingham und einem Remix von ‚Katrina‘ (fast doppelt so lang wie das Original) schließt das stimmige Neo-Pop-Prog-Album.