Revelations Of Oblivion
39 Jahre nach dem Genre-definierenden Album „Seven Churches“ stoßen Possessed die Tore zur Hölle auf. Endlich hat das einzige Gründungsmitglied Jeff Becerra den Mumm aufgebracht, nicht nur Live das Vermächtnis einer der wichtigsten Bands im Heavy Metal weiterzuführen. Die Demoversion von ,Abandoned‘, die im Zuge der Decibel-Flexi-Series veröffentlicht wurde, hatte schon mächtig Appetit auf die neuen Songs gemacht.
Nach einem bombastischen, stilechten, aber auch schon tausend mal gehörten Intro, öffnet der gute Jeff tatsächlich sämtliche Pforten zur Unterwelt. Zu erst können die rasend schnellen Riffs und der knackige Sound begeistern. Ab dem Zeitpunkt, an dem Jeff Becerra seine mit glühender Sehnsucht herbei gebetete heiser-gequälte Stimme erhebt, wissen wir alle, dass der Meister wieder in die Hölle eingezogen ist und seinen rechtmäßigen Thron bestiegen hat. In einer Zeit, in der Lügen und Falschmeldungen den Weg der Geschichte bestimmen, ist das eine wirklich gute Nachricht. Hat Kollege Araya doch schon vor Dekaden die Weisheit kund getan: ,You may believe it, but Satan wouldn’t lie.“
Im Großen und Ganzen hat der Zeremonienmeister sein Gewand nicht groß verändert. Die zehn neuen Songs auf „Revelations Of Oblivion“ sind schnell, ultrabrutal und haben das archaisch-chaotische Flair und die typischen Trademarks des Meilensteins von 1985. Sie sind dem entsprechend nicht so glatt und in Bahnen gelenkt wie auf ‚Beyond the Gates‘ und der ‚The Eyes of Horror ‚-EP. Die Songs verabreichen einem blutige Striemen, gebrochene Knochen und einen leeren Geist. So, wie wir es uns schon seit dem Verschwinden der Großen Alten Gottheit Possessed herbei gesehnt haben.
Jeff und seine Weggefährten schaffen es, das Erbe Possessed ins neue Millennium zu retten und in einem zeitgemäßen Glanz erstrahlen zu lassen. Zwar wird man über die 55 Minuten immer wieder an die guten alten Tage erinnert, aber zu keinem Zeitpunkt beschleicht einem das Gefühl, einem Schwindel aufzusitzen. Die Songs sind keine Nachahmungen alter Kompositionen oder aufgewärmte Ideen, sondern in der Tat neue Songs, die einen einfach nur weg ballern. Vor allem, weil immer wieder moderne Elemente vorsichtig in die Songs integriert werden, sodass die Songs frisch klingen und voller Energie strotzen. Der Bombast, meist zu Song-Beginn, ist aber oft zu offensichtlich gewollt und ein wenig zu dick aufgetragen.
Der Meister öffnet uns mit „Revelations Of Oblivion“ die Augen für den Horror der Welt. Possessed übernehmen so das Zepter von den bisherigen Herrscher der Hölle Slayer und zeigen, dass sie im Studio diesen zurecht inne haben. Jetzt müssen Possessed nur noch unter Beweis stellen, dass sie auch auf der Bühne in der Lage sind, den ,Shadowcult‘ teuflisches Leben einhauchen.