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Quadra

Bei „Quadra“ (Nuclear Blast) handelt es sich um ein portugiesisches Wort, das so viel wie „Spielfeld“ bedeutet. Gleichzeitig bildet es den Wortstamm der Zahl Vier, auf Portugiesisch „quatro“. Mögen die beiden Bedeutungen auf den ersten Blick wenig gemeinsam haben, existiert doch eine Verbindung zwischen ihnen. Denn ein Spielfeld besitzt meistens vier Seiten und vier Ecken. Für Sepultura bildet genau dieser Zusammenhang den musikalischen und ideologischen Überbau des Albums.

Die Songs sind wie bei Doppel-Vinyls in die vier Seiten A, B, C und D unterteilt. Nicht nur beginnt der jeweils erste Song einer Seite mit einem kleinen Intro, sondern auch musikalisch besteht zwischen ihnen ein großer Unterschied. Mit Songs wie ‚Isolation‘ oder ‚Last Time‘ knüpft Part A stark an Alben wie „Beneath The Remains“ oder „Arise“ an, während Teil B mit Percussion und Tribal-Sound von den beiden Großtaten „Chaos A.D.“ und „Roots“ beeinflusst ist. Nach diesem Rückblick auf die eigene Historie sind die Abschnitte C und D deutlich progressiver gestaltet. Wie bereits beim Vorgänger „Machine Messiah“ (Nuclear Blast) prägen orchestrale Elemente die Songs. Dazu gibt es mit ‚The Pentagram‘ einen Instrumental-Track. ‚Agony Of Defeat‘ oder ‚Autem‘ besitzen dagegen in ihren Refrains eine für Sepultura-Verhältnisse ungewohnte Eingängigkeit, die fast schon Singalong-Potential besitzt. Besonders in Abschnitt D wird dafür das Tempo deutlich gedrosselt. Den Abschluss dieses abwechslungsreichen Konzepts bildet ‚Fear Pain Chaos Suffering‘, bei dem Sänger Derrick Green gesangliche Unterstützung von Emily Barreto (Far From Alaska) erhält. Angesichts von 36 Jahren Bandgeschichte ist es etwas überraschend, dass erst zum ersten Mal eine Frau auf einem Sepultura-Album mitwirkt.

Musikalisch haben die Brasilianer somit ihre vier Ecken abgegrenzt. Doch auch inhaltlich steckt ein ausgefeiltes Konzept hinter „Quadra“. Durch die Lektüre von John Norths Buch „Das Quadrivium“ fiel Gitarrist Andreas Kisser auf, dass die Zahl Vier eine besondere Bedeutung für die Welt besitzt. Diese besteht für ihn aus vierseitigen Spielfeldern. Als solche können ebenso die Lebensräume verstanden werden, in die die Menschen hineingeboren werden. Ähnlich wie bei einem Spielfeld herrschen in ihnen jeweils eigene Regeln und soziale Voraussetzungen. Für die Band sind die unterschiedlichen Spielfelder gleichrangig und verdienen denselben Respekt. Sepultura beziehen somit deutlich Stellung zu aktuellen gesellschaftspolitischen Entwicklungen. Denn die vier Bandmitglieder besitzen selbst vier divergierende soziokulturelle Hintergründe: Sie stammen aus vier unterschiedlichen „Quadras“.

Auf „Quadra“ haben sich Sepultura ein eigenes Spielfeld geschaffen, auf dem nur ihre Regeln gelten. Während sie musikalisch über jeden Zweifel erhaben sind, mögen Spötter vielleicht behaupten, dass sie keine Philosophen sind und ein derartiges inhaltliches Konzept in zwölf Songs kaum ausgereift dargestellt werden kann. Andererseits bleibt damit Raum für Diskussionen. (Dominik Feldmann)

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