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Prayers For The Damned

Seitenprojekte von Musikern sind von unterschiedlicher Qualität. Manchmal manifestiert sich in ihnen Protest gegen Plattenfirmen oder Bandmitglieder, manchmal ergeht man sich in elitären Experimenten, die im Hauptprojekt zu Recht abgelehnt wurden. Und in ganz seltenen Fällen hört man hin und merkt, dass es sich um mehr als nur ein Seitenprojekt handelt.

Sixx:A.M. sind sehr deutlich letzteres. Das liegt sicher nicht zuletzt an der Qualität der Musiker, die Nikki Sixx hier um sich schart und am hervorragenden Songwriting. Die ersten beiden Alben vertonten Nikkis Bücher ‚The Heroin Diaries‘ und ‚This Is Gonna Hurt‘ – und das war ziemlich genial. Das dritte Album, ‚Modern Vintage‘, überzeugte nicht so deutlich, markierte aber den Übergang des Buchvertonungsprojektes in eine echte Band.

Nun liegt uns ‚Prayers For The Damned‘ vor und Sixx:A.M. kommen zum ersten Mal auch nach Europa auf Tournee.
Die Texte sind gewohnt gut und das fällt natürlich dem Crüehead vor allem deswegen auf, weil James Michael nicht nur eine prima Stimme hat, sondern auch mal etwas von Enunziation gehört hat. Wie schön und wie wichtig! Leg dazu noch DJ Ashba’s satte Klampfe, schieb einen soliden Bass drunter und Du hast richtig feine Mucke.

Egal, wie man zu ihm steht, Herr Sixx hat ein Händchen für Texte, die einen an den Narben auf der Seele packen und einmal kurz durchbeuteln, damit man aufsteht und weitermacht. Auch wenn man selbst nicht zweimal bereits klinisch tot war, die Botschaften vom Nicht-Aufgeben, vom noch so feinen Silberstreif am Horizont, an dem man sich festhalten muss, kommen an.

Ein weiteres Thema, das in den Sixx.A.M. Songs schon immer im Vordergrund stand, ist dass es in Ordnung ist, anders zu sein. Physisch und psychisch, Du bist wer Du bist – ohne Abstriche.

Und selbst wenn es um das Scheitern geht, wie in ‚Everything Went To Hell‘, packen einen die Texte an den vorhandenen oder nicht-vorhandenen Balls. Tiefgang muss nicht gequält-liedermacherig sein, Tiefgang kann Bandanas tragen, abgefuckt und tätowiert daherkommen, mit mehr Four Letter Words, als manch einer in seinem Leben verwenden würde.

Und wenn man schon fast auf hohem Niveau meckern will, dass es nur Uptempo gibt, kommt sie am Ende dann doch noch, die wunderschöne Ballade. ‚Rise Of The Melancholy Empire‘. „We will grow strong from this, we will not be defeated“ – und man nimmt es James, DJ und Nikki ab, dass man, egal wie oft man schon niedergeknüppelt wurde, trotzdem nochmal aufstehen und weiter kämpfen kann. Ein letztes Mal noch. Und noch einmal. Und danach auch wieder. So lange, wie man muss.

‚Prayers For The Damned‘ beschert jenseits des lyrischen Tiefgangs dem geneigten Rocker elf extrem kremige Songs mit hohem Wiedererkennungswert. Das riecht nach Leder, billigem Parfüm und nassem Asphalt. Das klingt nach dunklen Gegenden und verwahrlosten Ecken, in denen sich die schemenhaften Gestalten in den schwärzesten Winkeln als Poeten der Nacht entpuppen, als gefallene Engel an Stripperstangen und als Ritter in zerbeulten Rüstungen, die wer-weiß-wie-oft schon zu Boden gegangen sind, aber immer wieder aufstehen. Der erhobene Zeigefinger bleibt dankenswerterweise in der Tasche, hier wird – wie in Nikkis Straßenfotos – nur mit Wärme beobachtet, nicht gerichtet.

Mit dieser CD sind Sixx:A.M. endgültig mehr, als ein Seitenprojekt von Nikki Sixx. Die drei sind eine Band – und eine verdammt gute noch dazu. Man trifft sich auf Augenhöhe und scheint, so wie es klingt, einfach nur tierischen Spaß miteinander zu haben. Die Dynamik zwischen Nikki, James und DJ treibt die Songs nach vorn und das Ergebnis sind Songs, die satt und rund klingen.

Das Album sollte dem Trio neue Hörerschaften erschließen – man muss nicht wissen, wer die Herren sonst noch sind, jetzt sind sie Sixx:A.M. und das ist gut so.

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