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Nocturne

The Emerald Dawn sind ein britisches Symphonic-Prog-Projekt, das mit „Nocturne“ bereits sein drittes Album vorlegt. Laut Info ist eines der Ziele des Albums, eine dem Death Metal ähnelnde Malevolenz mit den Mitteln des Symphonic Prog auszudrücken – und auch wenn man sich darüber streiten kann, ob das nun gelungen ist, haben The Emerald Dawn mit „Nocturne“ ein richtig gelungenes, schön kauziges Album mit viel „weird shit“ vorgelegt.

Dabei gibt es Vieles, was theoretisch den Spaß an dem Album verderben könnte. Die Produktion ist beispielsweise eher auf Mittneunziger-Demotape-Niveau angesiedelt, viele Songstrukturen sind repetitiv, die männlichen Vocals sind eher grenzwertig ausgefallen, die weiblichen Vocals beschränken sich meist auf „aah-aah“-Trällerelfen-Einwürfe. Ja, The Emerald Dawn stehen eindeutig auf gotischen Kitsch – nicht im Sinne von Gothic Rock, sondern architektonischen Sinne – hier ’ne Verzierung, da ein Gargyl – past schon! Musikalische Vergleiche? Erinnert sich noch jemand an die Soundtracks der John Sinclair-Hörspiele? Dann habt Ihr bereits eine ungefähre Vorstellung, was Euch hier erwartet.

Aber, wie so oft, ist es genau das Kauzige, Unkommerzielle und Schräge, was den Hörer wider Erwarten auf Dauer fasziniert. So klingen die Vocals von Katrina Jane „Tree“ Stewart eben nicht nach dem tausendfach gehörten Klischeegeträller, sondern nach exakt dem, was in diesem Moment zum Song passt, und im Zwanzigminüter ‚The Child Within‘ beschwört sie gar Erinnerungen an Grace Slick in ihren am weitesten draußen befindlichen Momenten. Ihre ausladende Arbeit an den Keyboards ist ehedem von exzellenter Qualität, auch wenn sie eigentlich hauptsächlich konventionelle Flächensounds nutzt, schichten die sich derart clever übereinander, dass man bisweilen tatsächlich wieder an Achtziger-Horrorfilmsoundtracks denken muss. Und Alan ‚Ally‘ Carter mag nicht wirklich singen können, aber seine Gitarrenarbeit ist ziemlich knorke, voller an Steve Rothery, Mike Oldfield und Steve Hackett angelehnter singender Gitarrensoli. Die gelegentlich in den Vordergrund tretenden Fretless-Bass-Läufe von David Greenaway tun ihr Übriges, die eigenartige, etwas verpeilte, schamanische und jenseitige Stimmung des Albums zu unterstützen. Auch das ebenfalls von Tree Stewart selbst stammende Artwork wirkt auf den ersten Blick etwas seltsam, fängt aber die Atmosphäre der Musik gut ein. Bisweilen fühlt man sich gar an den klassischen Neofolk erinnert, allerdings ohne das Martialische, das dem Genre oft innewohnt.

Für Freunde kauziger Klänge also ein absoluter Tipp – selbst die seltsame Produktion passt hier zum Konzept der Scheibe. Ich persönlich würde die Band nun gerne einmal live sehen – am Liebsten wohl während irgendeines seltsamen Hexensabbat. Im Booklet wird schließlich extra erwähnt, dass Teile von ‚Moonlight‘ beim Samhain 2018 mitgeschnitten wurden. Mutige klicken sich also augenblicklich zum Webshop von Just For Kicks und tüten sich das Album ein.

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