New Bermuda
‚A multiverse of fuchsia and violet surrenders to blackness now / My world closes its eyes to sex and laughter‘
– Brought To The Water
Regelrecht verkatert müssen Deafheaven sich gefühlt haben von den Unmengen an Lobpreisungen, die sie für ihr erst zweites Album ‚Sunbather‘ einstreichen durften. Nicht, dass ihnen kein gebührendes Auskosten vergönnt gewesen wäre – im Gegenteil! –, allerdings schaltet sich beim Angehen eines Nachfolgers nicht selten eine gewisse Ernüchterung ein, wenn die Messlatte plötzlich schwindelerregenden Höhen verläuft. Doch George Clarke, Kerry McCoy und Band – die Live-Rekruten Dan Tracy (Drums), Stephen Lee Clark (Bass) und Shiv Mehra (Gitarre) zählen nun offiziell zum festen Personal – gingen es an und entdeckten die Mittel, mit denen ihrem großen Wurf tatsächlich das Wasser zu reichen war.
‚New Bermuda‘ titelt unheilvoll der nächste, noch weitaus größere Schritt der Blackgazer aus San Francisco und führt in fünf überlangen Überliedern vor Augen, dass noch längst nicht alle dunklen Winkel ausgeleuchtet, noch längst nicht alle Wunden verkrustet sind. Mit gebleckten Zähnen sind sie aus dem Shoegaze vergangener Tage hochgeschreckt; gediegene Classic-Rock-Passagen leiten nun von einem blastbeatgetriebenen Black-Metal-Wahnsinn in den nächsten oder aber zersplittern schier in deren Mitte, Piano-Themen puffern das schübeweise Höllenfeuer. Clarke, immerfort wutentbrannt fauchend bis delirisch keifend, steht der Schaum des Eskapismus vorm Mund und McCoy raubt zuckrige Riffs aus einer besseren Welt, die gottverlorenen, gallig ausgespienen Gedankenströme zu garnieren.
Die Übergänge von pechschwarz und sonnenklar, vom hoffnungstrunkenen Taumel in schreddernde Selbstzerfleischung lassen Himmel und Hölle sich überblenden – mal ohne Vorwarnung eruptions- oder krampfartig, mal in zig kleinen Vorzeichen aufwändig angebahnt. So liefern sich feierlich überbordene Schönheit, scheußliche Fratzen, unbekümmertes Erblühen und markerschütterndes Distortion-Malmen einen andauernden und faszinierenden, wenn auch mitunter strapaziösen Schlagabtausch, wie er so oder in ähnlicher Form weit und breit noch nie stattgefunden hat. Dan Tracys Schlagzeugspiel, zugleich halsbrecherisch und messerscharf pointiert, drängt gegenüber ‚Sunbather‘ mehr in den Vordergrund, fordert eine Führungsrolle ein und feuert gegen alles, was sich ‚New Bermuda‘ auf dem Weg zum Album des Jahres, ja einer neuen Genre-Zeitrechnung noch in den Weg stellen könnte. Man kann von Glück sagen, dass die Band – unbeirrt von allen reaktionär-metallischen Unkenrufen – ihres Weges gegangen ist.
‚I imagine the gracious, benevolent ritual of Death / grave and porcelain, with baby blue lips and pale pink eyes, descending toward me / Her glowing hands cradled at my head and knees / submerging me into waves of icy seas‘
, fantasiert Clarke zuletzt vom Nonplusultra: der bereitwilligen, wenn nicht gar lustvollen Auf- und Preisgabe des eigenen Körpers. ‚Gifts For The Earth‘. Weiß jemand eine bessere Verwendung? ‚New Bermuda‘ ist verdammt noch mal zum Sterben schön.