MORON POLICE, BOISSON DIVINE und STRYPER – Daniels Lieblingsalben 2020
Eine Konstante, die jedoch auch dieses Jahr vielen Menschen Trost spendete, ist die Musik. Und weil es dieses Jahr kaum Livemusik zu erleben gab, dürften alle Veröffentlichungen sowohl für die Künstler selbst als auch alle Rockmusik-Fans noch bedeutsamer als je zuvor gewesen sein. Denn eines ist sicher: Trotz – oder vielleicht gerade wegen – Corona gab es natürlich auch 2020 jede Menge wunderbare Rockmusik zu entdecken. Der Geschmack unseres Chefredakteurs Daniel ist nach wie vor breit gefächert – hier teilt er mit euch seine fünf musikalischen Perlen des Jahres. Und noch ein bißchen mehr.
5. BOISSON DIVINE – Folk-Metal aus den Pyrenäen
Als Musikredakteur bekommt man täglich neue Musik in sein E-Mail-Postfach. Es ist teils Herausforderung und teils Genuss, die wahren Perlen aus der nie abreißenden, von einer dicken Schicht von Promotion-Sprech gekrönten Flut von Veröffentlichungen herauszufiltern. Mitte Mai erreichte mich eine Mail von einem bisher unbekannten, französischen Rockmusik-Promoter. Beworben wurde das neueste Album der französischen Folk-Metal-Truppe BOISSON DIVINE. Es war Liebe auf den ersten Ton! Das Sextett aus dem Südwesten Frankreichs mischt Punkrock-Attitüde und Power-Metal mit den Folklore-Instrumenten und der Sprache ihrer Heimat, der Gascogne. Exotisch, lebensfroh und absolut eigenständig.
Lest mehr zu Boisson Divine in der Review von „La Hala“ und im Interview mit Bandleader und Sänger Baptiste.
4. ULCERATE – Extreme-Metal aus Neuseeland
Aus Neuseeland kommen nicht nur Kiwis, Maoris und Star-Regisseur Peter Jackson („Der Herr der Ringe“), sondern eine der reizvollsten Death-Metal-Bands des Planeten. Das ungewöhnliche Extreme-Metal-Trio ULCERATE besteht seit 2000 und hat im April das sechste Album auf die Welt abgefeuert. Wer die Band noch nicht kennt und typische Black- oder Death-Metal-Sterotypen erwartet, darf diesen Absatz getrost überspringen. Ulcerate ziehen ihren Reiz nicht aus ihrer Massentauglichkeit, sondern aus musikalischer Individualität. Mancher würde das, was die exzellenten Musiker auch auf ihrem neuen Album abziehen, als eine sperrig-dissonante Mixtur aus Death-, Black- und Post-Metal bezeichnen. Oder noch etwas verklausulierter als Progressive-Extreme-Metal. Die Band selbst pfeift auf solche Etikettierungen. Und das ist auch gut so, denn Ulcerate muss man hören, erleben, fühlen. Sie sind einzigartig.
Lest mehr zu Ulcerate in der Review von „Stare Into Death and Be Still“ und im schon etwas älteren Interview mit Schlagzeuger Jaime Saint Merat.
3. STRYPER – The Yellow and Black Attack Strikes Back
Sie sind bekannt wie bunte Hunde, oder besser gesagt, wie gelb-schwarz gestreifte Fönfrisuren. Auch wenn nach wie vor bei den meisten Metalheads eher für das Werfen von Bibeln von der Bühne ins Publikum anstatt für ihre Musikalität. STRYPER sind seit bald vierzig Jahren auf den Brettern dieser Welt unterwegs und haben in jeder Hinsicht Einiges zu sagen. Umso bedauerlicher, daß DIE White-Metaller noch immer von den meisten belächelt werden. Zugegeben, man kann Stryper nicht wirklich von ihrer christlichen Botschaft trennen, aber wenn man es täte, bliebe immer noch eine exzellente Powermetal-Band übrig. 2020 haben die Mannen um Frontmann Michael Sweet trotz Corona und Hirntumor bei Gitarrist Oz Fox das beste Album ihrer zweiten Karrierehälfte veröffentlicht. In allen Belangen zeigt sich das kalifornische Quintett auf ihrem 13. Studioalbum „Even the Devil Believes“ fokussierter, gereifter und kompromissloser als je zuvor. Großartig, wenn man gut abgehangenen, melodischen Power-Metal mag.
2. ERIC CLAYTON – Die Selbstfindung des SAVIOUR-MACHINE-Frontmanns
Der Frontmann der seit jeher unterbewerteten Gothic-Metaller SAVIOUR MACHINE ist zurück! Mit dem Album seines Lebens, im wahrsten Sinne des Wortes. Es ist nicht der Abschluss der Legends-Trilogie, nicht einmal ein Saviour-Machine-Album. Stattdessen hat der seit einigen Jahren in Deutschland lebende Kalifornier mit einem Team von befreundeten Musikern eine autobiographische Dark-Rock-Opera auf die Beine gestellt, die an Intensität und Intimität nicht zu überbieten ist und zu dem man ihm nur gratulieren kann. Live-Termine sind fest geplant und das versprochene Saviour-Machine-Album wird ebenfalls kommen. Warten sind die Fans von Clayton & Co ja gewohnt…
Lest mehr zu Eric Clayton in der Review von „A Thousand Scars“, dem Verbleib des Sängers in den letzten 20 Jahren in einem sehr intensiven Interview und geht mit auf eine Zeitreise in die Bandgeschichte von Saviour Machine.
1.MORON POLICE – Humorvoller Progressive-Wahnsinn aus Norwegen
Ironie, Ironie. Zu dem Album, das ich im zu Ende gehenden Jahr am häufigsten gehört habe, gibt es weder eine Rezension noch ein Interview auf Whiskey-Soda. Streng genommen ist „A Boat At The Sea“ von MORON POLICE nicht einmal 2020 erstmals erschienen, sondern im Sommer 2019. Dennoch ist es meine Entdeckung des Jahres und mit dem physischen Re-Release in DIY-Manier erreicht es dieser Tage die Teilnehmer der eigens zu diesem Zweck durchgeführten Kickstarter-Kampagne. (Also irgendwie doch 2020!) Und auch in einem anderen Punkt passt das dritte Album der durchgeknallten Rocker aus Skandinavien gut ins crazy Corona-Jahr. Es ist ein Wahnsinn! Was die vier Jungs auf ihrem aktuellen Album an melodiösem Kreativitäts-Mindfuck irgendwo zwischen Pop und Neo-Prog abliefern, ist fantastisch-verrückt. Stakkato-Sprechgesang trifft in „Captain Awkward“ auf opulente, super-catchy Keyboards während in „The Dog Song“ der beste Freund des Menschen über die Übernahme der Weltherrschaft zwischen zwei Häufchen sinniert. Bei den beiden Vorgänger-Alben von 2014 und 2012 war das alles schon ähnlich, aber deutlich metallischer. 2020 sind Moron Police knallbunter, augenzwinkernd-psychedelischer Prog-Pop wie Mr. Bungle auf Dope.
Und weil fünf Alben ja nie wirklich genug für einen Jahresrückblick sind und es Kollege Dominik so hübsch vorgemacht hat, hier nochmal fünf weitere, absout erwähnenswerte Dinger vom virtuellen Redakteurs-Schreibtisch:
Psychotic Waltz – Das Prog-Metal-Comeback des Jahres!
Marhold – Alternative/Progressive-Rock mit Violine.
Blindstone – Kerniger Bluesrock mit tollen Gitarren!
Runescarred – Progressive-Thrash-Metal aus Texas.
Huntsmen – Postapokalyptischer Gospel-Sludge. Betörend.