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Made In Norway

Änglagård sind eine der kauzigsten Bands des kompletten Progzirkus. Mit ihrem Debütalbum „Hybris“ (1992) haben sie das, was man heute Retroprog nennt, schon gespielt, als der Rest der Welt noch Maulsperre ob des gerade erschienenen „Images And Words“ trug. Die authentischen Analogsounds, Mellotron, Flöte, schwer vertrackte Songs und die eher seltenen und bisweilen relativ schrägen Gesangsbeiträge in schwedischer Sprache machten es Mainstreamhörern gnadenlos schwer und trafen dafür den Geschmack von Fans des Frühsiebzigersounds von Genesis, Gentle Giant, King Crimson und Jethro Tull umso genauer. Daß das Album nur als Eigenveröffentlichung und Schweden-Import erhältlich war (1992 war das noch gleichbedeutend mit „gibt’s nicht“) und die Band nach einem weiteren – ebenso raren – Album 1994 einfach so scheinbar im Nichts verschwand, führte konsequenterweise zu einer gnadenlosen Mystifizierung der Band.

Mittlerweile sind Änglagård seit 2012 wieder am Start, klingen aufgrund der verstärkten Jazz-Einflüsse womöglich noch kauziger als zu Beginn, und in ihrer Heimat Schweden enterten sie mit dem letzten Studioalbum sogar die Top Ten der Charts. Nun also eine Live-DVD – und sogar auf BluRay wurde der Gig festgehalten. Der Mystifizierung schadet das HiTech-Gedöns allerdings trotzdem nur wenig. Zum Intro und immer wieder zwischendrin werden Änglagård-typisch nebelverhangene skandinavische Moor- und Winterlandschaften eingeblendet, die jedem Alte-Schule-Black Metaller sofort das Fenriz-1992-Gedächtniscorpsepaint ins Gesicht treiben werden. Mitgeschnitten wurde in einem winzigen, garantiert unglamourösen Club namesn ‚Musikflekken‘, und optisch bewegt sich die Band irgendwo zwischen Kelly Family und der Mumin-Familie. Allerdings sollte man sich vom Äußeren nicht täuschen lassen. Änglagård mögen aussehen wie eine Hippie-Kommune, die gnadenlos verfrickelte und verschachtelte Mucke wird trotz der bisweilen reichlich spinnerten Kompositionen schweinetight und auch bei abgefahrensten Passagen außerordentlich dynamisch und bei Bedarf enorm druckvoll dargeboten. Die Kameraführung bringt den Zuschauer direkt auf die gnadenlos überfüllte Mini-Bühne, als sei man tatsächlich Teil des Geschehens und nicht nur Zuschauer. Das Set bedient die bisherigen drei Alben der Band recht ausgeglichen, das unveröffentlichte ‚El Impetu Del Bosque‘ hingegen ist leider nur ein Drumsolo und der einzig verzichtbare Teil des Mitschnitts.

Für Fans unkommerzieller Progsounds ist „Made In Norway“ wie alle anderen Änglagård-Veröffentlichungen also absolut unumgänglich. Wer allerdings songorientiertes Material oder gar eingängige Melodien und moderne Einflüsse bevorzugt, sollte um Änglagård aber wie immer einen großen Bogen machen. Erstere begeben sich nun sofort zum Just For Kicks-Webshop und tüten das hierzulande bislang exklusiv dort erhältliche Ding ein.

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