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Livin‘ On A High Note

Es fällt schwer, im Angesicht von 60 Jahren Musikgeschichte nicht in eine Art ehrfürchtiger Starre zu verfallen. Mavis Staples war Melody Cool für Prince, hat Dylan inspiriert, ist mit Dr. King marschiert und hat mit ihrer unverkennbaren Stimme wie kaum eine andere Sängerin auf der Klaviatur der Emotionen gespielt.

Der Groove der neuen, wundervoll lebensbejahenden Scheibe wischt jeden Gedanken an Kniefälle und Heldinnenverehrung erstmal weg und Ms. Staples Stimme ergießt sich wie perfekt gealterter Bourbon die ausgedörrte Kehle hinunter. Warm, komplex und mit genug Biss und Feuer, dass es einem warm wird, egal wie kalt es draußen heute Abend auch sein mag.

Die Musik klingt dabei so herrlich frisch und doch so vertraut, dass man kaum glauben möchte, dass sich hier die Créme de la Créme der Indie-Szene als Songwriter versammelt hat. Neko Case, Justin Vernon (Bon Iver), Nick Cave, Ben Harper, Tune-Yards, Aloe Blacc, Benjamin Booker, The Head and the Heart und nicht zuletzt auch Produzent M. Ward, sie alle sind hier vertreten und es ist eine Freude, sich mit diesen Songs zu beschäftigen. Die gehen flauschig ins Ohr und ungeheuer in die Beine, die haben tolle Texte und auch die Instrumentalisierung passt einfach perfekt.

Der Rest ist Geschichte, vom Heiratsantrag von Bob Dylan (ihr nein damals ist eine der wenigen Dinge, die sie bedauert), über die Phase als Muse von Prince, ihre Rolle in der Bürgerrechtsbewegung um Martin Luther King (thematisiert im ‚MLK Song‘), ihren Glauben (‚Jesus Lay Down Beside Me‘) bis zu ihrer Fähigkeit, Menschen jeden Alters und jeder Couleur zum Weinen zu bringen, das alles muss man vielleicht wissen, um die Tiefe dieses Albums zu würdigen.

Vielleicht aber auch nicht, denn wenn auch alle Themen, die Mavis Staples wichtig sind und waren – wie Glaube, Freiheit und Ehrlichkeit – hier wiederzufinden sind, hat das Ganze keine Schwere, keinen Mühlstein der Historie im Schlepptau. Dafür ist der Groove des am 19.02.2016 erscheinenden Albums ‚Livin‘ On A High Note‘ zu fabelhaft, dafür wippt der Fuß zu stark.

Und, ja, und da ist diese Stimme. Das Leben hat seine Spuren hinterlassen, aber die Wärme, die Stärke und der Ausdruck sind einfach sensationell. Bei den langsamen Nummern möchte man schrumpfen, bis man auf Ms. Staples Schoß passt, sich dann dort zusammenrollen und sich von ihr in den Schlaf singen lassen. Bei den Uptempo-Songs kann man einfach nicht sitzen bleiben, da muss man mitgrooven. Eine Runde Schwoofen mit Mavis Staples, ja bitte. Und da ist sie dann doch wieder, die Ehrfurcht. Gehört sich irgendwie auch so, im Angesicht dieser Ausnahmesängerin.

Also, ihr Soulmen und -women, ihr mit Mississippiwasser getauften Blues-Enthusiasten und ihr Gospelfreunde, lasst uns uns versammeln. Do you see the light? Wenn ja, dann lasst uns gemeinsam unserer Hoffnung Ausdruck verleihen, dass die 76-jährige Mavis Staples den Biebers und Cyruses dieser Welt noch eine ganze Zeit lang zeigt, wo der Bartel den Most holt.
Amen.

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