|

Liquid

Schon zum dritten Mal frönt RPWL-Gitarrist Kalle Wallner abseits der Hauptband der blinden Egobefriedigung. Nach dem noch recht neoproggigen Debüt hatte das zweite Album „Numb“ mit seinen recht Metal-lastigen Songs überrascht. „Liquid“ schickt sich nun an, die beiden Stile zu vermischen. Wie beim Debüt wurden auch wieder jede Menge Gastmusiker verwendet, was der Geschichte leider wieder eher Projektcharakter gibt. Von den drei Sängern ist mir allerdings nur Ex-Sieges Even– und Subsignal-Stimme Arno Menses bekannt, von Aaron Brooks und Erik Blomkvist hat man bislang eher wenig gehört.

Der Opener ‚A Place In The Sun‘ knallt dabei recht heavy durch die Speaker und erinnert eher an Alter Bridge, 21 Octayne und Konsorten als an die üblichen Neoprog-/New Artrock-Verdächtigen. Doch das nachfolgende ‚Blackend‘ relativiert die Sache wieder und tönt, nun ja, ziemlich exakt wie eine weniger komplexe Ausgabe von Kalles Hauptband. Ja, nach Prog im engeren Sinne tönt auf „Liquid“ in der Tat wenig. Lediglich die typischen Gitarren- und Keyboardsounds bedienen die Genrekonventionen, musikalisch geht’s durchweg ziemlich straight und melodisch zur Sache. Das muß ja per se nichts Schlechtes sein, man sollte aber schon klarstellen, daß eingefleischte Progfans außer dem instrumentalen, an Porcupine Tree erinnernde ‚Quiet Anger‘ hier nicht viel finden werden. Dafür klingt’s schon mal, wie zum Beispiel auf dem Rausschmeißer ‚Speak The Truth‘, nach Nickelback-Radioballade.

Und da kommen wir auch schon zum Problem der Scheibe: die Songs sind nämlich mit im Schnitt sechs bis sieben Minuten für Mainstream-Rock-Verhältnisse ziemlich lang ausgefallen. Das führt in vielen Fällen dazu, daß so manche an sich eher simple Idee länger ausgewalzt wird als nötig – und letztlich bekömmlich. Bestes Beispiel das siebeneinhalbminütige ‚Not Going Away‘, dessen unspektakuläres Intro sich bereits viel zu lange hinzieht, ohne dabei wirklich Spannung aufzubauen, und in den letzten zwei Minuten wird im Prinzip nur noch wiederholt, was bereits ausreichend gesagt wurde. Dieses Problem schleppen viele Songs des Albums mit sich herum: viel Repetition und Ausgewalze von eigentlich nicht sonderlich spektakulären oder gar progressiven Ideen. Anders gesagt: zu simpel zum Proggen, zu langatmig zum Rocken. In der Tat wirkt der Bonus Track, eine gekürzte „Singleversion“ von ‚Blackend‘, weit geschlossener und zwingender als der Rest des Albums. Einen Pop-/Rocksong auf den Punkt zu nageln ist halt vermutlich doch schwieriger, als mancher Progger so annimmt.

Das hört nun alles womöglich negativer an, als das Album tatsächlich klingt. Natürlich kann man sich „Liquid“ dank cooler Melodien gut anhören, und die Produktion von Yogi Lang ist einmal mehr erstklassig. Wie das aber bei Egobefriedigungen so ist, manchmal stolpert man eben über das Fehlen einer unabhängigen Meinung – in diesem Fall einer, die sich mit der Kreation knackiger Pop- und Rocksongs auskennt. Somit ist „Liquid“ eine ganz gute, aber für eine (moderne) AOR-/Hardrock-Scheibe zu wenig prägnante Scheibe, die irgendwie weder Fisch noch Fleisch dastellt.

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar