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Kodama

Alcest waren einmal eine Black Metal Band. Bei vielem was sie damals taten, waren sie die Ersten. Die Ersten, die Post Black Metal bzw. Black Shoegaze machten, noch bevor es diese Kategorisierung überhaupt gab. „

Musik die wie Parfum in der Luft ist

“ (Zitat Neige), ätherisch, leicht, schwebend, alles Dinge die mit dem brutalen Herangehen an dieses Genre nie etwas gemeinsam hatten, bis Neige und Alcest dies mit einer Leichtigkeit verband die ein ebensolches Selbstverständnis benötigte.

Alcest betrachteten ihr Tun und sahen, dass es gut war. Für sie selbst und für viele Fans. Andere wiederum hatten mit dem ausufernden Schwebezustand der wohl nur nach Konsum etlicher Fliegenpilzhuthäute wirklich richtig knallte so ihre Schwierigkeiten.
Auf „Kodama“ ist jedoch einiges (wieder) anders und doch sehr viel gleich. Zunächst scheint der Film „Prinzessin Mononoke“ aus dem Haus Ghibli wohl bei Neige eine Art Stein ins Rollen gebracht zu haben, der sich mit massivem Elan gen Japan bewegt. So ist dann zunächst ein an japanische Animes erinnerndes, den durchschnittlichen Europäer aber ob seiner Plakativität ratlos zurücklassendes Cover entstanden, das in keiner Weise an die Schönheit früherer Artworks heranreicht.

Musikalisch sind die 42 Minuten des neuen Albums irgendwie….ja,wie nur? Sie sind immer kohärent, passend, brechen nicht mit sich selbst und der gesamten Stilistik der Band, sie wirken wie aus einem Guß und haben genug Dynamik um die halbwegs kurze Spielzeit zu überdauern.

Das Album beginnt mit den klassischen Elementen, die Alcest (und Anathema und noch viele andere Bands dieses Genres) ausmachen: akustische Gitarren, epische, leicht verzerrte Gitarrenwände mit sphärisch-hypnotischem Charakter, dazu cleaner Gesang der leider so auch als Untermalung für die Fernsehwerbung einer Klinik für Altersgebrechen passen würde – melodische Chants die klingen als würde Häuptling Psilocybinium im Nebenraum Drogenfantasien artikuliert aushauchen. Auf die Spitze treiben es Alcest dann mit „Onyx“ einem reinen (freundlich formuliert…) Ambienttrack der als Bindeglied gerade so haltbar ist, für sich selbst aber nur ein Schulterzucken hervorrufen kann.

Auch der Titeltrack besticht musikalisch durch seine hypnotische Entrücktheit, sieht aber die Vocals zumindest minimal in etwas distinguierterer Form, auch wenn man sich des Eindrucks eines andauernden Laaaa Laaaa Laaaa Laaaa nicht erwehren kann. Das ist ohnehin eines der großen Probleme von Alcest, bei aller musikalischen Sphärizität könnten die Vocals ein bißchen…nunja, erdiger, geerdeter, bodenständiger sein. Was sind schon Wasser und Luft – die beiden Elemente die sich mit Alcest’s Musik wohl am besten assoziieren lassen – ohne Feuer und Erde? Genau – gar nichts.

Zum Glück gibt es mit „Eclosion“ einen Track, der eben all diese Elemente durch etwas bereichert, was es bei Alcest schon lange nicht mehr gab – diese wunderbaren gekeiften Shouts, die Alcest in ihren alten Songs wohl eher zufällig wiedergefunden haben.

Tja und dann gibt es noch den Raubvogel.Der „Oiseau de Proie“ jedenfalls gibt uns einen Track, der alle anderen als solcher überragt. Mögen die Gitarren immer noch urtypisch neuere Alcest sein, mag der Gesang auch hier und da entrückt klingen – die grandiosen Black Metal-Shouts erheben diesen Song in puncto Originalität, Dynamik, Spannung, Vielfältigkeit und auch Aggressivität weit über alles, was Alcest in den letzten Jahren gemacht haben.

Zum Glück – und das ist das erste Mal, dass man das sagen kann – gibt es bei den einschlägigern Providern die Möglichkeit, einzelne Songs zu kaufen. Alcest-Fans der neueren Zeit dürfen bei diesem gut durchstrukturierten Eso-Trip blind zuschlagen – wer Alcest früher schätzte und heute eher Bands wie Griftoder Uada zugeneigt ist möge sich ausschließlich „Oiseau de Proie“ zulegen.

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