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In Range

Erst im vergangenen Jahr hat das britische Re-Issue-Label Rock Candy die beiden ultrararen, auf A&M erschienenen Alben der Memphis-Rocker Target erstmals auf CD veröffentlicht. In den Linernotes war dabei von einem dritten, nie veröffenlichten Album die Rede, welches das Meisterwerk der Band gewesen sein sollte. Nun, unter dem Titel „In Range“ kann man sich das erwähnte verschollene Album nun auch in die Sammlung stellen und ein Bild davon machen, ob es sich hierbei wirklich um das verschollene Meisterstück der Band handelt.

Nun, zuerst muss man die Erwartungen in mehrfacher Hinsicht dämpfen. „In Range“ stammt ganz eindeutig nicht von den Originalbändern, sondern dürfte als Quelle eine Kassetten-Überspielung haben. Somit müssen natürlich beim Sound einige Abstriche gemacht werden – wie das eben ist bei Aufnahmen von 1979, die vermutlich in einer Keksdose gelagert wurden. Bisweilen hört man ein paar Schäden am Band, ein leichtes, aber allgegenwärtiges Grundrauschen muss man ebenfalls tolerieren können. „In Range“ richtet sich also an harte Fans der Band um die spätere Survivor-Stimme Jimi Jamison, doch die werden ihren Spaß damit haben. Denn über weite Strecken bietet das – mit nur 32 Minuten Spielzeit auch ziemlich kurz ausgefallene – Album die gleiche launige Mixtur aus bodenständigem Southern Rock, frühem AOR und britischem Bluesrock wie die Vorgänger „Target“ und „Captured“. Als Orientierungshilfe seien hier nun einfach mal die Siebziger-Alben von 38 Special genannt, die recht ähnlich klangen und amüsanterweise später gerne auf Jimis späteren Survivor-Kumpel Jim Peterik als Songwriter zurückgriffen. Gewöhnungsbedürftig ist der Disco-Schlag in den ersten beiden Songs ‚Tight Wire‘ und vor allem ‚Love Magician‘ – nicht vergessen, das Album wurde in der gleichen Ära aufgenommen wie Kiss‚ „Dynasty“ oder Rod Stewarts „Blondes Have More Fun“. Target waren also nicht die einzige Band, die mit einer Rock-/Disco-Mischung hausieren gingen.

Nun, die große Frage ist aber eben nun, ob „In Target“ wirklich der große, verschollene Schatz der Band ist, der zum Gamechanger hätte avancieren können – kurz, nein. Mit den beiden absolut empfehlenswerten Vorgängern, speziell dem hardrockigen „Captured“, kann nicht das komplette Material mithalten. Die Höhepunkte wie ‚Hold Tight‘, ‚Taxman‘ oder ‚Don’t You Think It’s Time‘ sind freilich genauso cooler Stoff wie alles auf den Vorgängern, auch das bluesige ‚Means That Much‘ ist ein Highlight in bester Bad Company-Tradition. Die erwähnten Funk- und Disco-Experiment ziehen hingegen nicht gerade die Butter vom Brot, speziell ‚Love Magician‘ ist ein echter Ausfall und klingt so doof wie sein Titel. Klar, Jamisons damals noch ziemlich rauer, aber unverkennbarer Gesang reißt vieles wieder heraus, dafür muss man eben in Sachen Sound einige Abstriche machen. Für Fans und Feldforscher eine sehr lohnenswerte Sache, „normale“ Musikhörer sollten sich an die beiden offiziellen Alben halten.

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