Gigantic Sike
Kleines Gedankenspiel: Wie würden die Ramones wohl heute klingen, gäbe es sie noch? Angenommen, die musikalischen Ausreißer in den 80ern wären vergessen, die Band hätte sich auf ihre Wurzeln besonnen und den prägenden Sound der 70er ins neue Jahrtausend gehievt. Möglicherweise liefern Mean Jeans die Antwort. Denn was bereits bei den ersten Takten des vierten Longplayers „Gigantic Sike“ (Fat Wreck Chords) auffällt, ist die fast schon dreist unverhohlene Reminiszenz an die New Yorker Punk-Legende, die selbst vor dem Artwork im Inlay nicht Halt macht.
Dieser Eindruck manifestiert sich beim Abspielen der elf Tracks, deren längster gerade einmal 2:31 Minuten auf die Uhr bringt. Zwar brettern Mean Jeans nicht im selben halsbrecherischen Tempo durch ihre Stücke wie die Ramones, doch die Anleihen sind unüberhörbar: Frontmann Billy Jeans klingt wie Joey Ramone, ob absichtlich oder nicht, weiß nur er. Shalalas und Oh-oh-ohs werden großzügig über die gesamte Platte verteilt, Kernthema ist das Außenseitertum.
Doch ein Hintertürchen lässt sich die Band, die über die gesamten USA verteilt lebt, dann doch noch offen – das Augenzwinkern, mit dem jeder Song aufwartet. Mean Jeans lieben die Selbstironie und bekennen beispielsweise in „Just A Trim (Don’t Buzz Me Alright)“, dass man nach einer Nacht am Tresen nicht ohne Grund ziemlich bescheiden aussieht. „Basement Animal“ ist eine Ode an die Kellerkinder dieser Welt, die einfach nicht so richtig in die Gesellschaft passen wollen, und in „Time Warp“ wünscht sich die Truppe, einfach nochmal von vorne anfangen und sämtliche schlechten Lebensentscheidungen auslassen zu können.
Kurz gesagt: Wer Ramones-Fan ist, wird vielleicht ein wenig angefressen sein, dass sich Mean Jeans durchaus schamlos die musikalischen Charakteristika der Punk-Urgesteine aneignen. Allerdings machen sie es handwerklich gut und mit dem nötigen Respekt. Dennoch wäre eine deutlichere eigene Handschrift wünschenswert, denn wer will schon dauerhaft in Fußstapfen treten, die nur zu groß sein können?