Favourite Pleasures
Für viele sind Gun nicht mehr als ein fast vergessenes One-Hit-Wonder, das mit dem Funkrock-Cover von Cameos ‚Word Up‘ Mitte der 1990er auf der Höhe des Crossover-Booms kurzzeitig Charts, Radio und MTV regierte. Allerdings entstammten Gun ursprünglich der britischen Hardrock-Szene und präsentierten bereits auf ihre ersten beiden Alben „Taking On The World“ und „Gallus“ eine extrem cremige Mischung aus sahnigem Rock’n’Roll-Drive, U2-mäßigem Stadion-Pathos und Alternative-Rock-Einsprengseln. Mit „Favourite Pleasures“ legt die Band nun ihr siebtes Album vor, das dritte mit dem einstigen Bassisten (und Hauptsongwriter) Dante Gizzi am Mikro vor – und überrascht dabei mit einem außerordentlich starken Scheibchen.
Natürlich, der pathosbeladene, erdige Sound der ersten beiden Alben ist weitgehend Geschichte, ebenso wie der Crossover-Touch von „Swagger“ und – gottseidank – der seichte Pop von „0141 632 6326“. Wenig verwunderlich, ist doch von den Gründungsmitgliedern außer Dante nur noch dessen Bruder Giuliano (gtr) übrig. Der Opener ‚She Knows‘ ist dabei extrem clever platziert, da er, zusammen mit dem hammermäßigen ‚Tragic Heroes‘ immer noch den „traditionellen“ Gun-Sound bietet und somit den Einstieg in ein weit abenteuerlicheres Album erleichtert. Gun klingen 2017 produktionstechnisch absolut zeitgemäß, musikalisch aber agieren sie völlig anarchisch und werfen – höchst anachronistisch – stampfende T-Rex-Grooves, breite Oasis-Gitarrenflächen, höchste Arschwackelkompatibilität (ohne Dance-Music-Anleihen!), immer noch ein wenig U2, Led Zeppelin-Riffs und unwiderstehlich eingängige Hooklines durcheinander. Schon der großartige, vorab ausgekoppelte Titelsong wäre – gäbe es denn noch eine Mainstream-Plattform für Rockmusik – ein garantierter Hit. Mit funkigem Groove, dreckigem Riff, knurriger Strophe und catchy Refrain ist das genau die Sorte Song, die man sich von Aerosmith in den letzten 20 Jahren erhofft hätte. Doch sollte man sich nicht täuschen lassen, zwar klingen immer wieder Anleihen an Vorbilder der Band durch (beispielsweise in der Ian Hunter-verdächtigen Ballade ‚Boy Who Fooled The World‘), doch „Favourite Pleasures“ ist in seiner Gesamtheit absolut schlüssig und durchaus eigenständig – da hört man eben die langjährige Erfahrung der Band heraus.
Der Ansage der Band, „Favourite Pleasures“ sei rockiger ausgefallen als die letzten beiden Alben, kann ich mich zwar nicht ganz anschließen, „Frantic“ und speziell „Break The Silence“ rockten da entschieden härter, auch hätte eine richtige Abgehnummer im Sinne von ‚Steal Your Fire‘ oder ‚Don’t Say It’s Over‘ hier durchaus noch ein i-Tüpfelchen setzen können. Aber dafür haben Gun ein absolut bockstarkes und – sehr rar heutzutage – vollkommen füllerfreies Album abgeliefert, das ich ihnen in dieser Qualität nicht mehr zugetraut hätte und mir tatsächlich eine meiner größten Freuden der letzten Monate bietet. Liebe Gizzis, wir sehen uns auf Tour!