BOSSE – Vier Lieder lang im Foto-Graben
Es gibt ein Dogma bei Konzertfotografie: Drei Titel im Graben – ohne Blitz, dann raus.
Heute in der Halle Münsterland gibt es aber eine ungewöhnliche Ausnahme bei der Ausgabe der Presseausweise. „Vier Songs ohne Blitz, dann müsst Ihr raus!“ „Vier? Habe ich mich verhört?“ „Nein, nein, es sind vier, viel Spaß!“
Aha, ok. Dann mal rein in die ziemlich volle Halle, die dank der leicht vorgeschobenen Bühne sehr nah an ausverkauft sein dürfte. Mit dem akademischen Viertel Verspätung geht es direkt nach der Tagesschau los, und hinter dem Mond-Vorhang beziehen die insgesamt acht Musiker*innen ihre Arbeitsplätze. Als Intro läuft eine Akustik-Version von „Der letzte Tanz“ bevor das Banner fällt, und die Band mit „So oder so“ losbrettert.
Was jetzt passiert, geschieht in den folgenden 130 Minuten durchgehend: Die Kapelle ist wirklich gut eingespielt, und bedient neben der üblichen Instrumentierung aus Gitarre, Schlagzeug, Bass und Tasten auch Cello, Trompete und Percussions. Chef Aki ist in den kompletten gut zwei Stunden von der ersten Sekunde rastlos, tanzt und hüpft am Bühnenrand hin und her, und verströmt eine extrem gute Laune. „Wie ein Flummi mit frischer Duracell“, vernimmt unser Redakteur neben sich, was aber reiner Ausdruck der Bewunderung ist, und absolut nicht abfällig gemeint (auch wenn sein weißes T-Shirt bereits nach wenigen Minuten komplett durchgeschwitzt ist, dürfte Bosse in dieser Form nicht noch einmal beim Joggen gegen die Donots aufgrund mangelnder Kondition aufgeben müssen, wie im letzten Jahr beim Hurricane – hier gibt es ein Erklärvideo dazu!).
Alle relevanten Hits sind im Programm, ob „Sunnyside“, „Frankfurt Oder“ oder „Kraniche“. Manchmal muss man aber gut hinhören, denn in den Arrangements gibt es die ein oder andere Überraschung. Nach dem dritten Track (Ihr erinnert Euch, der, nachdem man eigentlich den Graben verlassen muss) erzählt Aki die Story zu seinem Hit „Ein Traum“, und wie er bei den Aufnahmen spontan den Berliner Kneipenchor angerufen hat, um den Refrain einzusingen. Den hat er heute nicht dabei, aber den Jungen Chor Münster, den er nun auf die Bühne holt, jede*n per Faustschlag begrüßt, und gemeinsam mit ihnen die Nummer performt. Nun ist auch das Geheimnis der längeren Fotografier-Erlaubnis gelüftet: Aki gönnt damit auch den etwa 25 Sänger*innen nicht nur das Rampenlicht, sondern auch die Aufnahmen – Ehrenmann!
Musikalisch bewegt sich die Truppe immer irgendwo zwischen Pop (wenngleich weit weg von Mark-Giesinger-Tawil-Radio-Einerlei) und Rock, die Musiker*innen beherrschen ihr Handwerk und liefern einfach gewaltig und punktgenau ab. Bosse ist in Erzähllaune, und gibt immer wieder Storys zur Entstehung der Songs oder Statements gegen die AFD ab, was mit einem lauten Applaus goutiert wird.
Fast jede Nummer wird nach dem vermeintlich letzten Refrain noch einmal wieder aufgenommen, und mit dem textsicheren Publikum noch einmal gemeinsam intoniert. Etwa zur Halbzeit kommen alle am Bühnenrand zusammen, und spielen ein reduziertes Akustik-Set inklusive „Royales Morgenblau“, bevor es mit „Augen zu Musik an“ einen nur von Gitarre und Co-Gesang untermalten Lufthol-Part gibt. Mit dem Dorflied „Die schönste Zeit“ endet das reguläre Set, aber natürlich gibt es noch Nachschlag.
„Hey, auch wenn es peinlich wird, ich muss eine Sache machen!“, gibt es als kurze Erläuterung anstelle der nächsten Zugabe. Die 20-jährige Jula, Tochter seines ehemaligen Produzenten, hat Geburtstag und wird auf die Bühne gebeten und mit einem „Happy Birthday“ bedacht. Mit dem Anfangslied endet auch die Show und „Der letzte Tanz“ kommt jetzt aber laut und aus allen Kehlen, und nimmt die mehr als 3000 Fans noch ein allerletztes Mal mit. Dann sind wirklich alle im Saal durch, und nicht nur Aki Bosse hat für heute Abend im wörtlichen Sinne ausgetanzt.
SETLIST
So oder so
Die Befreiung
Das Paradies
Ein Traum
Alles ist jetzt
3 Millionen
Dein Hurra
Royales Morgenblau
Sunnyside
Alter Strand
Augen zu, Musik an
Salzwasser
Frankfurt Oder
Loslassen Lernen
Vier Leben
All-Time-Favourite
Schönste Zeit
Kraniche
Ich warte auf dich
Der letzte Tanz
Fotocredit: Wollo@Whiskey-Soda
Mehr Fotos findet Ihr bei Anna Borchert www.anna-Borchert.jimdosite.com