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Bane – I’ve never been much good at saying goodbye


Die erste Demo von Bane erschien am 12. Dezember 1995. Zwanzig Jahre später, am 12. Dezember 2015 spielt dieselbe Band ihr letztes Konzert in Deutschland und die vorletzte Show auf ihrer ‚Final European Tour‘. Es ist also nicht nur eine Abschieds-, sondern auch eine Geburtstagsfeier, die es an diesem Abend zu begehen hieß. Ort des Geschehens ist das Conne Island in Leipzig und wie vermutet, war es komplett ausverkauft und bis zum Bersten gefüllt.

Überschattet wird das Ereignis leider von ziemlich heftigen Krawallen in Connewitz – im Nachklang einer Demo Rechtsradikaler, die unverständlicher Weise in der links-alternativen Südvorstadt genehmigt wurde. Am frühen Abend zeugten davon allerdings nur ‚entglaste‘ Bushaltestellen.

Das Line-Up für dieses Event ist gigantisch und hat fast schon das Potential für ein kleines Festival. Ganze sieben Support-Bands ebnen den Weg für den Hauptakt, und dass bereits ab halb fünf Uhr nachmittags. Zu diesen gehören Jail, Tausend Löwen Unter Feinden, Wolf Down, Light Your Anchor, World Eater, No Turning Back und Backtrack. Da ich selbst erst um halb acht am Ort des Geschehens eintreffe, entgeht mir die erste Hälfte des Spektakels. Kurz nennen möchte ich sie dennoch.

Jail aus Oberhausen – obwohl allesamt alte Hasen der Hardcore-Szene – haben erst in diesem Herbst ihre erste 7-Inch mit dem Titel ‚Ressurrection‘ veröffentlicht und gehörten damit zu den jüngsten Bands des Abends (weshalb ihnen auch die Eröffnung oblag). Vom Stil her New-York-Hardcore mit einem Schuss Ruhrpott-Atzen-Aroma. Tausend Löwen Unter Feinden wollten bei ihrer Namensgebung wahrscheinlich nicht-deutschsprachige Bands und Booking-Agenturen ärgern; Bane-Sänger Aaron Bedard brauchte bei seiner Danksagung immerhin drei Anläufe und eine Google-Übersetzer, bis er den Dreh raushatte. TLUF kommen ebenfalls aus NRW und sind eine der wenigen deutschen Hardcore-Bands mit deutschen Texten. Musikalisch sind sie eher in der metallisch angehauchten Ecke zu verorten. Nicht aus NRW sondern aus Hamburg kommen Light Your Anchor, die mit ihrem an Stick To Your Guns erinnernden Metalcore ein wenig aus der Reihe stachen. Mit Wolf Down – die ohne weiteres als musikalischer Arm der Antifa bezeichnet werden können – ging es danach wieder zurück ins Ruhrgebiet. Auf ihrem Programm stehen radikale und politische Texte. Zudem versuchen sie scheinbar im Punkto militanter Veganismus Earth Crisis und Vegan Reich den Rang abzulaufen. In der Szene definitiv eine kontrovers diskutierte Band.

Die erste Truppe, die ich mit eigenen Augen sehen und mit eigenen Ohren hören darf, sind World Eater aus Saarbrücken, die sich mit ihrem brachialen NYHC-Sound keineswegs hinter den Genre-Größen zu verstecken brauchen. Aaron Bedard bezeichnet sie später auf der Bühne als eine Band, die alles in sich vereine, was Hardcore für ihn ausmache. Lob von höchster Stelle also. Das adelt. Genau wie neulich beim Konzert von Modern Life Is War drängen sich die Menschenmassen bis zum Einlass. Der Saal ist restlos ausverkauft. Im Gegensatz zu damals verhält sich die Menge bis zum Erscheinen des Hauptakts jedoch nicht so teilnahmslos. Die Party ist bereits in vollem Gange und vor der Bühne hat sich bereits eine ganze Schar Tanzwütiger eingefunden. Danach folgt eine Band, die ich gar nicht mehr aktiv wähnte. Dabei haben sie mit ‚Never Give Up‘ erst in diesem Jahr eine neue Scheibe rausgebracht. Die Rede ist von No Turning Back aus dem niederländischen Nordbrabant. An ihrer Hingabe zum Hardcore scheint sich in all den Jahren nichts geändert zu haben. Ihre Energie auf der Bühne ist klarer Ausdruck dessen, was dann auch direkt mit einigen Circle-Pits und Singalongs gewürdigt wurde. Vor dem großen Finale heizen Backtrack – die einzige New-York-Hardcore-Band dieses Abends, die auch wirklich aus New York kommt – dem Publikum noch einmal ordentlich ein und macht da weiter, wo No Turning Back aufgehört haben. Die Frequenz an Stage-Dives wurde noch einmal massiv gesteigert und vor der Bühne ging es mächtig zur Sache. Sänger James Vitalo kündigt bereits per Mikrophondurchsage an, das Conne Island in Schutt und Asche legen zu wollen. Für einen Moment ist fast zu befürchten, dass die Aussage wortwörtlich zu verstehen ist. Vom Chaos-Faktor kommt an diesem Abend keiner an die New Yorker heran.

Nach diesem Paukenschlag kehrt für eine Weile Ruhe ein. Boxen werden abgebaut, neues Equipment auf die Bühne getragen und die Gäste gehen nach draußen, um frische Luft zu schnappen. Nach und nach füllte sich der Saal dann wieder. Die Menschen stehen dicht an dicht. Dann wird das Licht gedimmt und Bane betreten die Bühne. Tosender Applaus. Die ersten Töne von ‚My Therapy‘ wurden angeschlagen und das große Rumgeschubse nimmt seinen Lauf. Dass die Band bereits seit Ende Oktober unterwegs ist und dabei 31 Konzerte in 15 Ländern hinter sich gebracht hat (und das allein in Europa), merkt man den sympathischen Bostonern überhaupt nicht an. Dass es die letzte Tour war und nur noch eine handvoll Gigs bis zum finalen Abschied vor ihnen liegt, hingegen schon. Die zum Teil sehr emotionalen Ansprachen Bedards zwischen den Songs machen dies mehr als deutlich. Angesichts seiner spürbaren Betroffenheit über die baldige Auflösung würde es allerdings nicht wundern, wenn Bane sich eines Tages wieder zusammenrauften. Man soll ja die Hoffnung nicht aufgeben …

Unter Konfettiregen spielen Bane etwa eine Stunde alte sowie neue Titel. Darunter ‚Some Came Running‘, ‚Ante Up‘, ‚Count Me Out‘, ‚Non-Negotiable‘ und ‚Calling Hours‘. Nachdem der letzte Song der Set-List verklang forderte die Menge lauthals eine Zugabe, die sie dann auch bekam, zusammen mit dem Hinweis, dass die Band nach der Show Umarmungen entgegennähme. Ihr Abschiedslied ‚Swan Song‘ bereitet der Show ein würdiges Ende:

‚When Armageddon’s been locked and loaded I will come back for you.‘

Ob wir Bane da beim Wort nehmen können? Wäre zumindest ein cooler Soundtrack für den Untergang.

Als die Show vorüber ist, lassen sich viele der Zuschauer die Gelegenheit nicht nehmen, sich persönlich zu verabschieden, die versprochenen Umarmungen auszutauschen und mit den Bandmitgliedern ins Gespräch zu kommen – einige hatten dabei keine trockenen Augen. Trotz des langen Tages und der hinter ihnen liegenden Tour nehmen sie sich aber die Zeit. Gegen Mitternacht ist alles vorbei und das Fußvolk zerstreut sich langsam. Mit dem guten Gefühl, eine der einflussreichsten und authentischsten Bands des Hardcore noch einmal live erlebt zu haben, bevor auch sie in die Geschichte eingehen sollten, und dem schlechten Gefühl, dass mal wieder ein Teil meiner Jugend entschwindet, begebe auch ich mich auf den Weg nach Hause.

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