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Apex Predator – Easy Meat

Ein Album mit vierzehn Titeln, das im MP3-Format knappe fünfzig Megabyte umfasst, ist entweder nach allen Regeln der Kunst totkomprimiert, sodass das Hören statt Emotionen maximal Ohrenkrebs hervorruft oder von Napalm Death.

Jener Band, die mit ihrem 1,38 Sekunden langen Titel ‚You Suffer‘ bewies, wie effizient man dem Publikum tatsächlich die Gesichtszüge verbeulen kann. Auch wenn der durchschnittliche Napalm Death-Song durchaus länger währt, ist die Effizienz doch der geheime Steckenpferd der sonst eher anarchistischen britischen Oldschool-Grindcorer – keine Note ist nutzlos, jedes Riff sitzt und die Lieder sind genau so lang, wie sie sein müssen, um die Aussage zu transportieren. Nun könnte man meinen, dass die Aussage folgerichtig nicht besonders umfangreich sein kann, bei einer durchschnittlichen Songdauer von knappen zwei Minuten. Das Gegenteil ist jedoch der Fall, Napalm Death zeigen lediglich, wie viel unnütze Ästhetik manch anderer Interpret in seiner Musik akkumuliert, ohne am Schluss irgendetwas von Belang gesagt zu haben. Und bekanntermaßen ist Ästhetik ja subjektiv.

So subjektiv, dass dem Kenner die besondere Ästhetik des neuen Napalm Death Albums schon von Anfang an auffallen wird.

‚Some of The Sounds that Napalm Death uses are deliberately designed to annoy people, no question!‘

, sagt Sänger Barney. Und genau diese Belästigung ist es, die Freunde des extremen Metals so mögen und die auch dieses Album dominiert. Auch wenn in Nuancen sicherlich die beabsichtigten Einflüsse von Public Image Ltd, Killing Joke oder Swans wahrnehmbar sind, ist es der effiziente Krach, der dem Napalm Death-Hörer die Endorphine um die Ohren schießen lässt.

Parallel dazu lässt schon der Titel ‚Apex Predator – Easy Meat‘ den Biologen oder aber wikipedia-affinen Metaller schmunzeln. Der Spitzenprädator zeichnet sich in der Nahrungskette dadurch aus, dass er ganz am Ende steht, also dort, wo er selber alles, aber nichts ihn fressen wird. Easy Meat halt.

Was auf den ersten Blick ironisch erscheinen mag, ist genauer betrachtet wohl doch eher von Zynismus geprägt. Der Apex Predator an der Spitze der Nahrungskette symbolisiert die entwickelten westlichen Länder, die für ihr ‚Easy Meat‘, sprich billige Importwaren, Kleidung aus Bangladesch oder ähnliches, prekäre Arbeitsverhältnisse in den untergeordneten Entwicklungsländern in Kauf nehmen, gleichzeitig aber auf heuchlerische Weise den gesellschaftlichen Konsens vertreten, dass die Sklaverei, die zum Beispiel in Textilfabriken in Bangladesch vorherrscht, schon lange der Vergangenheit angehöre. So jedenfalls sieht Barney die Situation, weshalb sich der lyrische rote Faden durch diese Thematik zieht und rund um das Thema Sklaverei im modernen Kapitalismus diverse soziale Mißstände anprangert.

‚Apex Predator – Easy Meat‘ ist ein wunderbar gelungenes Album, dass nicht nur mit dem für Napalm Death so elementaren Krach aufwarten, sondern mit ‚Hierarchies‘ tatsächlich auch einen fast hymnischen Eindruck vermittelt – und wenn Barney sich darüber Gedanken macht, dass man ihn nebst seiner Band irgendwann als alte Säcke abstempeln könnte, so sei ihm versichert, dass es bis zu diesem Zeitpunkt wohl noch einiger Napalm Death-Alben bedarf.

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