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Afraid Of Heights

Das Erste war ungezähmt, wahnsinnig, eine Bestie, die auf Konventionen schiss. Das Zweite war ein kleiner Rock-Meilenstein, mit einer enormen Hitdichte, vergleichsweise leicht ins Ohr gehend. Das Dritte war bleischwer, deprimierend, düster, gleichzeitig aber auch melancholischer. Das Tote, Stille war ein unentschlossener Cocktail aus Rock’n’Roll-, Singer-Songwriter- und Pop-Hardrock. Was wird uns das Ängstliche Album bringen?

Billy Talent sind mittlerweile auf einem Rock-Gipfel angelangt, auf dem sie sich genauso breit machen können wie Linkin Park oder Foo Fighters. Und möglicherweise schüchtert sie diese Höhenangst ein. Jeder Fan fasst seinen eigenen Entschluss, welche Ziffer die beste ist – ‚Dead Silence’ wird, selbst wenn es kein Reinfall war, wohl niemand auf dem Zettel haben. Und die Kanadier möchten diesmal scheinbar jeden aus diesen drei Sektionen gleichermaßen bedienen.

Fangen wir chronologisch mit den I-Tracks wie ‚The Crutch‘ an, welcher dreckige Harmonien und eine wundervolle Handvoll Kowalewicz-Geschrei liefert, die einen beinahe nostalgisch werden lässt. Ebenso aggresiv geht auch der beste Song ‚Ghost Ship of Cannibal Rats‘ daher mit einem fetzigen Gitarrenriff, einem starken, versetzten Bass-Drum-Part im Refrain und simplen Background-Rufen, welche an Power kaum zu überbieten sind. Auch ‚Time-Bomb ‚Ticking Away‘ hat mit bildhaftem Offbeat-Ticken und generell abgedrehten Rhythmus die ekstatische Verspieltheit der I.

Dann gibt es die II-Abteilung mit den Tracks ‚February Wind‘, ‚Afraid Of Heights‘ oder ‚This Is Our War‘, die eine Mischung aus großer Wucht und eingängigen Riffs und/oder Melodien besitzen. Das klingt auf seine eigene, eben nicht-fröhliche Art poppig. Dabei bildet letzterer Song durch sein lower Tempo ein Bindeglied zur III. ‚Rabbit Down The Hole‘ scheint mit dem akustischen Gitarrenspiel und der traurigen Lagerfeueratmosphäre als einziger das dritte Album zu vertreten. Anders verhält es sich da schon mit manchen Missgriffen auf ‚Afraid Of Heights‘, die sich höchstens auf ‚Dead Silence’ wiederfinden würden. ‚Louder Than The DJ‘ ist eine Rock’n’Roll Nummer à la Royal Republic und ‚Leave Them All Behind‘ klingt poppig wie Green Day. Das schlimmste aber ist der wohl lahmste Background-Ruf, den sich Billy Talent je ausgedacht haben: Gleich im ersten Track ‚Big Red Gun‘ kommt ein mickriges, süßes „Yeahi Yeahi Yeahiyeah“, was dem Hörer einen kalten Schauer über den Rücken laufen lässt. Die früheren genialen Einwürfe, welche teils die halbe Melodie prägten, scheinen passé.

Eine unscheinbare, aber wirksame Neuheit folgt allerdings am Ende. Eine Reprise auf ‚Afraid Of Heights‘, der die Motive und Melodie aufgreift, sie allerdings mit einem Piano-Einstieg, gemächlicherem Beat und Synthie-Bass in eine rockige Ballade verwandelt. Diese kleine Veränderung klingt überraschend frisch, womit sich Billy Talent selbst eine interessante, neue Schublade aufgemacht haben, die sie sich unbedingt für die Zukunft aufbewahren sollten. Vielleicht finden sie dann ihren roten Faden wieder und verlieren im Austausch die Angst vor der Höhe. Denn statt es allen Recht zu machen und vor dem eigens erbauten Everest einzuknicken, sollten sie lieber einen neuen Konzept-Berg besteigen. Dass sie diesen meistern können, haben die ersten drei Alben bewiesen.

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