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Zirkus Zeitgeist – Ohne Strom und Stecker

Diesen Sommer legten Saltatio Mortis mit „Zirkus Zeitgeist“ nicht nur ein tolles neues Album vor, sondern erreichten damit auch mal eben locker den direkten Sprung an die Spitze der deutschen Verkaufscharts. Nach diversen Festivalauftritten stand Ausruhen allerdings nicht auf dem Programm der Spielleute, denn es ging sofort wieder zurück ins Studio. Die Idee für ein Experiment war entstanden, und so steht „Zirkus Zeitgeist“ jetzt noch einmal in den Verkaufsregalen, diesmal mit dem Untertitel „Ohne Strom und Stecker“. Genau das ist es: Saltatio Mortis interpretieren ihren diesjährigen Longplayer noch einmal neu und rein akustisch. Sondervorstellung im Zirkus, gewissermaßen.

„Zirkus Zeitgeist“ bot viele kräftige Rocksongs, die elektrischen Gitarren dominierten Songs wie ‚Wo sind die Clowns?‘ oder ‚Wir sind Papst‘. Funktionieren diese Stampfer nun auch unplugged? Diese Frage darf man sich bereits beim Opener stellen, denn die Frage nach den Clowns hatte in ihrer Originalversion eindeutig mehr Drive und wirkt unplugged etwas schleppend. Auch bei ‚Willkommen in der Weihnachtszeit‘ wurde das Tempo herunter geschraubt. Dafür überraschen jetzt unerwartete Reggae-Elemente wie die eingestreuten Steeldrums. In der akustischen Version gewinnen hingegen eindeutig die dramatischen und düsteren Songs. ‚Nachts weinen die Soldaten‘ jetzt auch ohne Strom. Akustische Gitarren, Dudelsäcke, Drehleier und Trommeln beschwören noch mehr als die Originalversion trübe und dunkle Visionen eines verlassenen Schlachtfelds herauf. Der thematisch sogar noch düstere ‚Todesengel‘ gewinnt im Akustikgewand sogar noch mehr. Ging schon die elektrische Fassung unter die Haut, sorgt jetzt die neue Version für Gänsehaut pur – insbesondere auch durch den unschuldigen Kindergesang.

Aber nicht nur die dramatischen Songs sind in ihrer Neuinterpretation gelungen. Auch flotte Nummern wie ‚Geradeaus‘ und das ‚Trinklied‘ überzeugen ohne Strom. Die Titel ‚Augen zu‘ und ‚Abschiedsmelodie‘ des Originalalbums fehlen in der akustischen Version aus nicht näher erläuterten Gründen.

Also Bonus liegt der limitierten Special Edition noch eine zweite CD bei. Auf „Fest der Liebe“ geht es weihnachtlich zu – mit Strom. Insgesamt sieben Weihnachtslieder haben Saltatio Mortis eingespielt. Drei davon gab es allerdings bereits auf „Zirkus Zeitgeist“ beziehungsweise dessen Special Edition zu hören, so dass lediglich vier Songs wirklich neu sind. Davon geht ‚Als die Waffen schwiegen‘ wirklich unter die Haut und bildet einen schönen Kontrast zu ‚Nachts weinen die Soldaten‘. Die etwas holprige Version von ‚Last Christmas‘ ist nett gemeint, aber an diesem Song hat sich wohl inzwischen auch der letzte Weihnachtsfreund und -hasser totgehört. Von daher: Netter Bonus, aber

„Ohne Strom und Stecker“ – Geldmacherei oder packende Neuinterpretation einer noch jungen Platte? Das muss wohl jeder für sich selbst entscheiden. Saltatio Mortis wurde oft genug vorgeworfen, sich zu weit von ihrem ursprünglichen Stil und der „Mittelalter-Musik“ entfernt zu haben. Mit dieser Platte zeigen die Spielleute, dass ihre Songs auch ohne elektrische Gitarren und treibenden Rocksound bestehen können. Gerade im direkten Vergleich zum Original springt der Funke jedoch nicht bei jedem Track gleich schnell über. Gerade die schnellen Rocksongs wirken akustisch etwas holprig und unfertig. Hingegen überzeugen andere Titel gerade unplugged noch mehr als im Original. Damit kann man dieses Experiment als durchaus gelungen ansehen. Fans werden die Platte ohnehin kaufen. Ob es wieder für Platz eins der Charts reicht, wird sich zeigen.

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