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Yield To Despair

Gute Musik muss man sich erarbeiten. Eine ehrenvolle Aufgabe, der man sich auch als Hörer immer öfter zu stellen hat, sobald es in progressivere, freigeistigere Gefilde geht. Tangled Thoughts Of Leaving etwa haben die Chuzpe, ihren Hörer gleich zu Beginn ihres neuen Albums auf die Suche nach dessen Seele zu schicken und dabei erst einmal zweiaktig zwanzig Minuten in der trüben Suppe fischen zu lassen. Da wird jene Aufgabe schon mal zum brutalen Härtetest. Besonders, wenn mehr Büchsen als Sardinen in besagter Suppe unterwegs sind.

‚White Noise‘, weißes Rauschen, nennt die Promo-Info diese akustische Feuerprobe und verweist triumphierend zurück auf den Albumtitel. Naheliegenderweise, denn um ihre Hoffnung müssen hier auch gestandene Doomer ein wenig bangen. Doch zu glauben, all dies sei von einem Track zum nächsten auch schon überstanden und die Harten könnten in den Garten, wäre töricht: Die Harmonie trägt Kettenhemd und Bleiweste übereinander und grollt und poltert dem Hörer in dicken Brocken entgegen; Melodik bleibt ein feiner Silberstreif am Horizont, der den dürstenden Hörer 70 Minuten lang ruhelos durch das Album treibt.

Die ausgezeichnete Produktion lässt bei genauerem Hinhören tiefer blicken und verleiht den düstren Soundscapes eine enorme Plastizität. So, wie das Auge sich an die Dunkelheit gewöhnt, gewöhnt sich auch das Gehör an ‚Yield To Despair‘: Aus dem scheinbar totalen Noise treten dunkle Umrisse hervor und werden sicht- und tastbar. Aus bodenloser Schwärze wird ein tiefdunkles Blau voller vager Schemen, die auditive Pupille weitet sich und erkennt. Alle sind sie gekommen: Jazzig angehauchte Prog-Werkelei, verhuschte Pianoläufe, scharfkantiger Post-Metal und dornige Drone-Teppiche, zusammengeschmiert zu einem ruhelosen, planmäßig konfus geschichteten Ganzen, das sich oftmals den Anschein einer rebellischen Inversion vertrauter Muster gibt. In ‚Downbeat‘ verschrotten die Australier Werkzeug und Baustoff, wie Bands ihres Schlages es am Ende eines Konzerts gern tun – ohne allerdings an irgendeinem ersichtlichen Ende angelangt zu sein. Das Vorbei ist in der Tat noch etliche Minuten entfernt.

Beschleunigung oder Aufklarung mögen im gemäßigten Flügel des Kollegiums viel verheißen; bei Tangled Thoughts Of Leaving, die sich allein schon durch ihren Bandnamen und dessen akustische Sinngestaltung preisverdächtig machen, können derlei Indizien genauso gut in die nächste verschüttete Sackgasse führen. Und wenn Tangled Thoughts Of Leaving beschreiben, wie Schlagzeuger Ben Stacy und Tastenmann Ron Pollard sich einander zuwenden, um ihre Instrumente sich bekriegen zu lassen, dann braucht es nicht viel Fantasie, um sich das vors innere Auge zu rufen. Wie sie starren. Schwitzen. Fechten. Sich ineinander verhaken wie die Boxer. Okay, das womöglich eher nicht.

This Will Destroy You, Russian Circles, Deafheaven und Boris haben sicher nicht lange überlegen müssen, als sich ihnen die Gelegenheit bot, die Dröhner aus Down-Under als Live-Support an Bord zu holen. So viel Mut zur Hässlichkeit auf so engem Raum ist schließlich nur selten zu hören. Die Schatten, die dieses Team vorauswirft, sind groß und schwarz und bedrohlich. Vor allem aber groß.

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