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Unseen

Man kann sich gut vorstellen, dass so introvertierte Künstler wie Rennie and Brett Sparks ihre Probleme haben, wenn auf einmal der YouTube-Ruhm über sie hereinbricht. Das Ehepaar aus Albuquerque/ New Mexico, das seit 1993 als The Handsome Family so etwas wie Gothic-Country betreiben, erfuhr dank Matthew McConaugheys ‚True Detective‘ und ihrem als Titelsong verwendeten ‚Far From Any Road‘ Zuspruch per millionenfachem Klick, und das in einem so rasanten Tempo, welches ihren schön-schrägen Songs völlig fremd ist.

Denn The Handsome Family singt seit Jahr und Tag unverdrossen an gegen die moderne, durchtechnisierte und sich eben immer schneller drehende Welt. Altmodische Züge hat das, und die werden penibel gepflegt. Oder wieviele Bands setzen noch auf eine richtige, schön gestaltete Homepage und drucken alle ihre Texte ab? Mit ihren unterschwelligen und schrulligen Geschichten waren die Sparks daher genau die richtigen, der Detektiv-Serie ihren düsteren Sound zu verpassen.

Wie gegensätzlich die Welten sind, die dabei aufeinandertrafen, beschreibt Rennie Sparks treffend:

‚It was great that a song written about ants in my driveway became a song about cops in Louisiana. That’s the best any songwriter can hope for.‘

Obwohl auch zu Murder Ballads (‚Gold‘) fähig, sind es vor allem die Natur, die Weite und Einsamkeit ihrer südamerikanischen Heimat, die Sparks zu ihren Texten inspiriert und von ihrem Gatten mit dunkler und weicher Stimme vertont wird. Das dürfte auch auf ‚Unseen‘, dem Album Nummer zehn wieder für einige Fans mehr sorgen. Aber so langsam ist es nicht mehr das Storytelling, das für einen angenehmen Grusel sorgt, sondern ein eher negativ gruseliger Background, der an den Songs auffällig ist.

Denn ‚Unseen‘ enthüllt hinter den so bildhaft erzählten, bisweilen morbiden Geschichten eine stark konservative Haltung, die einen bitteren Nachgeschmack hinterlässt. Arg sentimental wird von der sehnenden Liebe erzählt, in der die Rollenbesetzung dem 19. Jahrhundert entstammt. Das sanfte, treue Mädchen träumt von der Rückkehr ihres starken, die Welt erkundenden Mannes:

‚We’ll lie under the willows in a bed of fallen leaves. I will bring you apples and water from the stream. I will pull the thorns from your blistered feet.‘

(‚Green Willow Valley‘) Gerne darf der ihr dann auch die Welt bzw. deren Grenzen erklären:

‚One thing, I asked of you my love as I combed your white-gold hair. Only stay your hand from the red door, the red door beneath the stairs.‘

(‚The Red Door‘)

Treue ist ein wichtiger Wert auf ‚Unseen‘, Reinheit auch. Der romantisierenden Naturverbundenheit wird es schon zur Hälfte des Albums zuviel. Wenig überraschend, dass es auch die Naturgewalten sind, die die Welt wieder in ihre alte Ordnung versetzen werden, wenn es in der fast religiöse Predigt von ‚Underneath The Falls‘ heißt:

‚Be careful summer nights. Keep the windows closed. Outside the yard is crawling. The heavy branches bow. In heat the world remembers when all rushed with the sea. In heat the old waves rise again to claim what has crawled free.‘

The Handsome Family zeichnet eine Welt in Schwarzweiß, wo die Guten blond sind und die Bösen Tattoss haben. Früher war alles besser und zudem gab es für (männliche) Erfinder noch wirklich Großes zu entdecken (siehe ‚Gentlemen‘, eine Homage an William Crookes, unterlegt mit mozarthaften Klavierklängen). Das ist so wenig inspirierend wie das gesamte Album mit jedem weiteren Song langweiliger wird. Schwer schleppen sich die Melodien dahin, das Piano zieht sie zunehmend gen Boden. Selbst der Zweifachgesang vermag den Tracks keine Tiefe zu verschaffen. Die Balance zwischen alter und neuer Welt können die Sparks damit nicht herstellen und, schlimmer noch, wollen es wohl auch gar nicht. Das macht ihre Introvertiertheit so beunruhigend.

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