To The Gallows
Mit was macht man alte Säcke immer glücklich? Mit einem räudig produzierten Stück Thrash der alten Schule. Funktioniert zumindest beim Schreiber dieser Zeilen immer wieder. Und so hat der auch für die fünfzig Minuten des Desecrator-Debüts folgerichtig ein nachhaltiges Grinsen im Gesicht. Denn hier gibt’s schönen melodischen Thrash im Geiste von alten Death Angel und Anthrax, abgerundet mit jeweils einem Schuß Testament, Sacred Reich und Overkill. Und, das Beste: anders als auf deren letzten Ergüssen gibt’s hier keine von programmierten Digitaldrums und Autotune versaute Staubfrei-Sauber-Produktion, sondern echte Metal-Power vom Fass!
Ohne Flachs, warum können die Superstars nicht so eine organisch-aggressive Produktion fahren wie die vier Australier? Nun, die Antwort ist natürlich klar: weil Andy Sneap, der Dieter Bohlen der Metalszene, dann arbeitslos wäre. So muss man sich eben für organischen Spaß eben an den Underground halten. Die Gitarren springen den Hörer regelrecht an, die Drums ballern herrlich ungekünstelt und meist mit durchratternder Doublebass durch die Walachei. Und zum Glück haben Desecrator die Songs, um der Produktion gleichzuziehen. Die erfreulich oft im Uptempo vom Leder ziehenden Kracher verfügen – natürlich – über schweinefette in-die-Fresse-Riffs, aber auch über höchst eingängige und alles Andere als eindimensionale Gesangslinien. Dabei klingt Fronter Riley Strong (wenn der bei dem Namen nicht ein „secret life“ als Pornodarsteller hat, freß‘ ich nen Besen) wie eine Mischung aus Armored Saint-Frontsau John Bush, Ex-Iced Earth-Wunderstimme Matt Barlow – man höre das generell an prä-Eurometal-Iced Earth erinnernde ‚Serpent’s Return‘! – und, im Opener und Titelsong beispielsweise, einem tierisch angepissten Jeff Scott Soto. So muss ein Metal-Sänger klingen! Dann klappt’s auch mit dem Nachbarn, oder so. Die Leadgitarren feuern sowohl coole Twin-Leads als auch gelegentliche Hannemann/King-Pferdewieher-Entgleisungen ab, und in ‚As I Die‘ – definitiv kein Paradise Lost-Cover – wird sogar clean im besten ‚Fade To Black‘- oder ‚The Legacy‘-Stil agiert. Besagter Song stellt allerdings mit seinem Pathos und den recht schiefen Gesangsharmonien den einzigen Skipkandidaten der Scheibe dar. Dabei hätte es die „Abwechslung“ durch eine Ballade gar nicht gebraucht: dank Abrissbirnen wie ‚Hellhound‘, dem Schlusstrack ‚Brain Scan‘ (der nicht nur vom Titel her an Annihilator und Nuclear Assault erinnert) und dem programmatischen ‚Thrash Is A Verb‘ vergeht die Zeit mit „To The Gallows“ auch so wie im Flug. Selbst der zweieinhalbminütige, eher nach Proberaummitschnitt klingende Hidden Track – keine Ahnung, was Riley da singt, ist doch auch scheißegal! – passt da ins Konzept und ist bestens geeignet, allen H&M-Slayershirtträgern das vegane Futter aus dem Gesicht fallen zu lassen.
Eine echt gelungene Überraschung, die sich hier auf meinen Schreibtisch verirrt hat. Desecrator sind übrigens Support auf der kommenden Airbourne-Tour – das mag stilistisch überhaupt nicht passen, aber vom Energielevel müssen sich selbst die O’Keefe-Brüder wohl warm anziehen. Für alle Thrash-Fans ein echter Tipp und für mich ein Jahreshighlight in Sachen Metal!