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Valkyrie

Glass Hammer hatten im Prog-Zirkus schon immer einen schweren Stand. Zuviel kantenloser Schönklang, zuwenig eigene Identität, zuviele Klischees – die Band hat alles schon über sich ergehen lassen müssen. Mal ehrlich: diese Vorwürfe sind schließlich auf 95% aller Retroprogbands genauso anzuwenden. Und immerhin hat es die Band im Verlauf ihrer dreiundzwanzigjährigen Karriere auch geschafft, sich eine kleine, aber durchaus treue Fangemeinde zu erspielen. Schauen wir also einfach mal, was „Valkyrie“ tatsächlich kann.

Einmal mehr handelt es sich bei „Valkyrie“ um ein Konzeptalbum. Es geht dabei diesmal aber thematisch nicht um Tolkien oder Prog-Rock-Alien-Verschwörungen, sondern um die harte Realität, wie das trostlose Artwork ganz ohne Roger Dean-Verneigungen diesmal schon untermauert. „Valkyrie“ beschäftigt sich textlich mit einen Kriegsheimkehrer, der sich mit seinen traumatischen Erfahrungen und der Rückkehr ins Alltagsleben arrangieren muss. Das ist tendenziell natürlich schwerer Stoff, nur: leider ist davon nix zu spüren. Denn die Musik klingt über die volle Distanz genauso schön melodisch, wolkig und verträumt bis zum Rande der Kitschgrenze und auch gerne mal darüber hinaus. Eben ganz so, wie man das von Glass Hammer mittlerweile gewohnt ist, irgendwo zwischen Yes (alles), Alan Parsons Project (‚Valkyrie‘, ‚Nexus Girl‘) und Toto (‚Golden Days‘). Nee, so richtig will das nicht zusammen passen. Auch wenn in ‚Fog Of War‘ und ‚Eucatastrophe‘ mal (für GH-Verhältnisse) unerwartet harte Gitarrenriffs auftauchen, werden sie soundtechnisch gleich mit ganz viel Synthie-Watte abgemildert.

Apropos Sound: im Jahr 2016 hat eigentlich keine Band mehr eine Entschuldigung für eine derart drucklose Produktion. Die Drums klingen eher nach Proberaum als nach Studio, der Bass hat keine ‚balls‘ und der Gesang wird ständig von meterdicken Keyboard-Layern in den Hintergrund gedrückt. Das verstehe, wer will. Vielleicht liegt es daran, daß Glass Hammer derzeit keinen hauptamtlichen Sänger mehr in ihren Reihen haben, der auf sein Recht pocht und die Masterminds und Not-Sänger Steve Babb und Fred Schendel womöglich nicht allzu selbstbewußt mit ihren (durchaus anhörbaren!) Gesangsleistungen umgehen. Langzeit-Gastsängerin Susie Bogdanowicz, die zu Beginn durchaus mit Recht eher belächelt wurde, gibt dafür auf „Valkyrie“ die reifste Leistung ihrer Karriere ab und würde manchen Spötter damit durchaus umdenken lassen – wenn sie denn deutlicher zu hören wäre. Ja, und wenn die Gesangslinien einfach markanter wären. Denn auch wenn das Album am Stück gut durchläuft, bemerkt man selbst beim fünften Durchlauf kaum, wenn ein Song endet und der nächste anfängt. So etwas wie packende Melodielinien sucht man beinahe vergeblich, oftmals wirkt der Gesang leider wie eine nachträglich draufgeklatschte Sahnehaube. Das hat bei den Vorgängern deutlich besser geklappt.

Es ist halt einfach ein Kreuz mit Glass Hammer. Die Herren sind musikalisch ohne Frage talentiert, und man hofft immer wieder darauf, daß sie es schaffen, dieses Talent und die immer wieder vorhandenen guten Ansätze mal in ein richtig großartiges Album umzusetzen. Aber leider ist auch „Valkyrie“ nur ein „nettes“ Album mit viel Siebziger-Flair und Achtziger-Neoprog-Sounds, das man sich als Fan von Steve Hackett, „Hydra“-Ära-Toto oder den neueren Yes mit Sicherheit ins Regal stellen kann – vorausgesetzt, man kann die schwammige Produktion und die melodische Beliebigkeit ignorieren. Wer aber ein wenig mehr musikalischen Tiefgang erwartet, wird auch 2016 sicherlich kein Fan von Glass Hammer werden.

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