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The Deconstruction

Vier Jahre ist er her, der letzte musikalische Output vom kauzigsten Melancholiker der amerikanischen Indie-Rock-Szene. Im gleichen Zeitraum davor hatte Mark Oliver Everett aka E ganze vier (!) Alben geschrieben, aufgenommen, veröffentlicht und betourt. Genau das war der Grund dafür, warum das zwölfte Eels-Album „The Deconstruction“ so lange auf sich warten liess. Ausgebrannt sei er gewesen nach dem erfolgreichen Vorgängeralbum, war sich nicht sicher, ob er je wieder Musik machen würde, erzählte Everett rückblickend in jüngsten Interviews. So habe er sich in dieser Zeit auf völlig andere Dinge fokussiert, geschauspielert und eine Familie gegründet. Laut seiner eigenen Aussage genauso („übertrieben“) perfektionistisch, dass seine zweite Ehe, die er in dieser Zeit schloss, leider bereits wieder auseinander gegangen ist. Zudem ist Everett unerwartet Vater eines Sohnes namens Archie geworden. Viel Licht und Schatten also wieder im Leben dieses ungewöhnlichen Künsters, wie sollte es auch anders sein? Dem Kenner war natürlich klar, dass es in den Genen dieses Mannes eingraviert ist, sein Leben mit der Musik und durch die Musik zu reflektieren. Das Ergebnis sind fünfzehn neue Songs auf „The Deconstruction“. Und Mr. E wird in diesem Frühsommer auch wieder auf Tour nach Europa kommen.

Ebenso klar wie die Tatsache, dass dieser Mann einfach nicht ohne Musik leben kann, war auch, wie das neue Album aussehen würde. Natürlich melancholisch und schrullig, aber auch romantisch und ausgelassen, genau wie die Lebensthemen, die die Songs von Everett bereits seit „Beautiful Freak“ von 1996 reflektieren. Den Verlust der engsten Familienangehörigen an Krankheiten wie Krebs und Depressionen, die knospenden, blühenden und verwelkenden Liebesbeziehungen, die Vögel auf der Veranda, das Spielen mit seinem Hund. „The Deconstruction“, auf den ersten Blick nicht eben ein optimistischer Albumtitel, klingt dann nicht nur thematisch, sondern auch musikalisch wie eine Art Querschnitt seines bisherigen Schaffens und ist damit sicherlich auch das heterogenste Werk Everetts.

Mit Streichern, Glockenspiel und der heiseren Stimme von Everett zelebriert der Titelsong die Gefühle einer zu Ende gehenden Beziehung. Die groovige Nummer ‚Bone Dry‘, im Vorfeld der Veröffentlichung auch mit einem fantastischen Animations-Musikvideo im Stil von Tim Burton bedacht. Knochentrocken fühle sich sein Herz an, weil sie ihm alles Blut ausgesaugt habe – die Nummer hätte auch auf „Hombre Lobo“ gepasst. So wie ‚Premonition‘ von „Daisies of the Galaxy“ hätte sein können, in dem E auf seine unnachahmliche Weise und mit zurückhaltend klimpernder Gitarre besingt, dass die Sonne weiterscheinen wird – egal ob man lebt oder stirbt. Doch es geht nicht nur trauig zu: In der peppigen Sommer-Pop-Nummer ‚Today Is The Day‘ geht es richtiggehend fröhlich zu. Die launige Shuffle-Nummer ‚You Are The Shining Light‘ mit Bläsern und Hammond hat sogar Tanz-Potential. Und im balladesk-schrulligen ‚Be Hurt‘ setzt E der simplen Wahrheit, dass es schon okay ist, verletzt zu sein, ein akustisches Denkmal, wie es Peter Buck von REM nicht besser gekonnt hätte.

Ein „echtes“ Rockalbum ist es nicht geworden, dennoch ist Album Nummer Zwölf unverkennbar Eels, inklusive dem Optimismus und der Hoffnung, die auf den zweiten Blick schon bei den früheren Alben immer da gewesen ist. „The Deconstruction“ ist sicher nicht der Höhepunkt seines Schaffens, aber die Fans werden ohnehin froh sein, dass Everetts Eels wieder da bzw. nicht Geschichte sind. Letztlich ginge es im Leben doch darum, freundlich und mitfühlend zu seinen Mitmenschen und gnädig mit sich selbst zu sein – findet Mr. E. Finden wir auch. Und er hat einmal mehr den Soundtrack dazu. Bravo.

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