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SCHLOSSGARTEN OPEN AIR – Punk und Folkrock statt Pop

Das zweitägige Schlossgarten Open Air findet seit 2015 eben im besagten Schlossgarten der Stadt Osnabrück statt und hat in der Vergangenheit an den einzelnen Abenden jeweils etwa 10.000 Besucher angelockt. Bisher standen immer mehr oder weniger poppige Acts im Vordergrund, aber dieses Jahr lockt das Line-Up für Freitag auch jede Menge Rockfans vor das Osnabrücker Schloss. Am Samstag werden hier Nena und Sarah Connor auf der Bühne stehen und eher softere Klänge ertönen lassen, doch heute wird es laut. Fiddler’s Green aus Erlangen sind angekündigt, und als besondere Highlights die Donots aus dem nahegelegenen Ibbenbüren sowie die amerikanischen Folk-Punkrocker Dropkick Murphys aus Boston.

Diese drei Bands haben an diesem Freitag gut 9000 Fans angelockt, und so ist es in der westfälischen Stadt an der Grenze zwischen Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen schon bei der Anreise ziemlich voll, als die Blechlawinen langsam ins Zentrum rollen. Das liegt aber zunächst einmal eher an einer Baustelle, denn als man diese passiert hat, funktioniert die Anreise ganz gut, und selbst in der direkt gegenüber vom Schloss gelegenen Tiefgarage finden sich noch freie Plätze.

                 

Das gelb gestrichene Osnabrücker Schloss mit dem umliegenden Garten, Namensgeber und Austragungsort für das Festival, steht unter Denkmalschutz und ist seit 1974 der Sitz der Verwaltung der städtischen Universität. Zur Öffnung der Tore am Nachmittag warten bereits einige Fans auf der Grünfläche zwischen Schloss und Osnabrückhalle, aber auf den ersten Blick sieht es noch verdächtig leer aus. An dieser Stelle ein großes Lob an die Organisatoren, denn für uns laufen Anfahrt, Ticketabholung und Einlass absolut problemlos und schnell. In den nächsten zwei Stunden bis Festivalbeginn um 18 Uhr füllt sich die Fläche vor der erstaunlich großen Bühne immer mehr, und als es dann losgeht, sind tatsächlich rund 9000 Menschen im Areal und sorgen für gute Festivalatmosphäre.

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Im Garten vor der Bühne gibt es neben den obligatorischen Bierständen jede Menge für das leibliche Wohl: Bratwürste, Pommes, aber auch Falafel oder Pizza und Salate sind erhältlich. Wie wir hören, gibt es bei den Getränkeständen wohl einige Probleme mit der Schnelligkeit des Personals, aber ansonsten scheinen sich die Besucher sehr wohl zu fühlen. Fiddler’s Green aus Erlangen legen um 18 Uhr mit ihrem mitreißenden Irish „Speedfolk“ los und packen die Menge gleich mit treibenden Riffs und der starken Bühnenpräsenz ihres Frontmannes Ralf „Albi“ Albers. ‚The More The Merrier‘ heißt der erste Song, und das passt schon mal ganz gut, denn immer mehr Menschen strömen vor die Bühne, und immer mehr werden vom Gute-Laune Folk-Rock mit Punk-Attitüden und Einflüssen aus Ska, Metal und sogar Reggae zum Tanzen animiert. Bald schon werden erste T-Shirts ausgezogen und auf Wunsch der Fiddler’s wild herumgeschwenkt. Ob mit Songs wie ‚P Stands For Paddy‘ oder dem schnellen ‚Life Is Full Of Pain‘ – Fiddler’s Green eröffnen den Festivaltag mit hoher Spielfreude und machen gleich von Anfang an mächtig viel Druck. Der Sound stimmt, und so kann die Party schon um 18 Uhr losgehen.

In der Mitte des Sets wird es etwas ruhiger, als eine stilisierte Bartheke auf die Bühne gerollt wird und alle Bandmitglieder daran Platz nehmen, um die traditionelle Folknummer ‚John Kanaka‘ zu singen und nur mit dem Klopfen auf und mit Trinkbechern zu begleiten. Mit ‚Rocky Road To Dublin‘ wird dann wieder Gas gegeben, und Albi Albers fordert das Publikum auf, die Fiddler’s Green-patentierte „Wall Of Folk“ zu starten, bei der wie sonst nur im harten Metalbereich üblich in der Mitte des Publikums ein Graben gebildet wird und dann beide Seiten wild tanzend auf- und ineinander rennen. Davon abgesehen bilden sich auch so schnell Circlepits vor der Bühne – Aktionen, die das sonst eher poplastige Festival vermutlich noch nicht so oft gesehen hat. Außerdem scheint man zumindest an einem Stand die Trinkeslust der Fans unterschätzt zu haben, denn schon am frühen Abend geht einer Bude das Bier aus (!), aber wir hören, dass schnell nachgeliefert werden kann. Tja, heute ist eben ein anderes Publikum anwesend als bei Nena und Co.

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Mit dem groovenden Traditional ‚The Leaving Of Liverpool‘ (und ohne Zugabe) verabschieden sich Fiddler’s Green nach einer Stunde von den jetzt gut aufgewärmten Fans, und eine halbe Stunde später geht es mit der nächsten Volldampf-Band weiter. Fast ein Heimspiel haben die Donots aus Ibbenbüren, das fast um die Ecke liegt. Entsprechend gut ist natürlich die Stimmung im Publikum. Die Punkrocker legen erwartungsgemäß los mit den ‚Geschichten vom Boden‘ und ‚Keiner kommt hier lebend raus‘. Ebenso erwartungsgemäß gibt es bei den versammelten Fans kein Halten mehr, neue Circlepits entstehen, und jetzt lassen auch die ersten Crowdsurfer nicht mehr lange auf sich warten. Irgendwann ist es soweit: Ein paar Schuhe fliegen durch die Luft oder zur Bühne, und Frontmann Ingo Knollmann, der auch heute wieder fleißig am Springen ist, möchte vom Publikum mal nicht nur die Hände, sondern auch die Füße sehen. Das ist schnell gemacht, und ein paar Leute zeigen, dass man auch mit den Füßen nach oben applaudieren kann. Ingo nutzt die Gelegenheit zum mehrfachen Bad in der Menge und lässt sich über die Köpfe der Fans tragen. Dabei wird vom Publikum natürlich auch der legendäre Donots-Schlachtruf „Hu-Ha“ lautstark praktiziert.

„Herr Kapellmeister of Death, können wir uns bitte weiter zerficken?“ fragt Ingo Knollmann. Ja, können wir. Und so geht es zu Songs wie ‚Whatever Happened To The 80s‘, ‚Piano Mortale‘ oder dem Twisted-Sister-Cover ‚We’re Not Gonna Take It‘ noch einmal so richtig ab – und zwar sowohl vor als auch auf der Bühne. Zum Finale schweben dann große Luftballone über die Zuschauer, damit die Menge auch etwas zum Spielen hat, während sich die Donots mit der Zugabe ‚So Long‘ würdevoll verabschieden. Jetzt heißt es wieder eine knappe halbe Stunde warten, bis es weitergeht und Al Barr, Ken Casey und ihre Kollegen als Dropkick Murphys für neuen Groove sorgen. Punkrock trifft ähnlich wie bei Fiddler’s Green auch hier auf Irish-Folk-Wurzeln und harte Rockriffs. Die Amerikaner aus Boston verbinden seit über 20 Jahren Folk mit eingängigem und deftigem Punkrock und sind ein Garant für gute Stimmung. Der Sound kommt hier nicht ganz so präzise aus den Boxentürmen wie bei den ersten beiden Bands, aber das tut der guten Laune keinen Abbruch: ‚The Boys Are Back‘, und sie haben jede Menge Musik mitgebracht. ‚Sandlot‘ mit seinem hymnenhaften ‚When We Were Young“ Chorus, das mitgröhl-sichere „Hurroo Hurroo“ in ‚Johnny, I Hardly Knew Ya‘ oder auch später bei ‚Rose Tattoo‘, die Osnabrücker Fangemeinde kann lautstark mitsingen oder zumindest auch im angetrunkenen Zustand noch die wichtigsten Passagen gröhlen.

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Aber es kommt natürlich auch, wie es kommen muss: Beim Traditional ‚Wild Rover‘ übertönen die ‚An der Nordseeküste‘ Gesänge mal wieder fast den richtigen, ursprünglichen Text. Danke, Klaus und Klaus. Aber was soll’s, die Amerikaner sind das sicher gewöhnt und legen mit der herzerweichenden Geschichte vom ‚Irish Rover‘ nach. Zwischendurch nimmt auch Ken Casey ein Bad in der Menge, zumindest geht er vom Fotograben aus mit den Fans der ersten Reihe auf Tuchfühlung. Wieder lädt der treibende, kraftvolle Irish Folkrock zum Crowdsurfen ein, aber unterm Strich geht es im Publikum etwas ruhiger zu als eben bei den Donots. Vielleicht auch ein Zeichen der fortgeschrittenen Stunde und des erhöhten Alkoholkonsums. Bemerkenswert und toll ist auf jeden Fall der Rollstuhlfahrer, der sich samt Gefährt über die Menge tragen lässt. Die  Dropkick Murphys liefen ein 90-Minuten-Best-Of ab, bei dem jeder Fan auf seine Kosten kommt. Bei den vier Songs als Zugabe brillieren sie zunächst mit dem Pogues Cover ‚Body Of An American‘, bevor mit ‚Shipping Up To Boston‘ eine der bekanntesten Nummern der Band folgt. Bei ‚Until The Next Time‘ prophezeien die Amerikaner: ‚We’ll Meet Again!‘. Das hoffen wir doch mal ganz stark. Zum Ende des Sets gibt es noch die launig-krachige AC/DC Nummer ‚Dirty Deeds‘ auf die Ohren, bevor sich die Murphys nach getaner Arbeit von der Bühne verabschieden und das Osnabrücker Publikum wahlweise auf den Heimweg oder hinüber in den Rosenhof entlassen, wo jetzt eine rockige Aftershow-Party angesagt ist.

Das Schlossgarten Open Air hat dieses Jahr drei rockige Bands auf die Bühne geholt und damit am ersten Tag mal ein grundverschiedenes Line-Up zum den bisher üblichen Pop-Acts nach Osnabrück gelockt. Dafür Hut ab, und wir hoffen, dass der Erfolg des ersten Tages die Macher darin bestätigt, auch in Zukunft mal die eine oder andere Rockband in den Schlossgarten einzuladen.

Am zweiten Festivaltag, dem Samstag, werden dann Wirtz, Nena und Sarah Connor erwartet. Wem diese gefallen, den erwartet auch dann wieder ein tolles Spektakel. Wir lehnen uns erst einmal zurück und schwelgen in Erinnerungen an einen punk-folk-rockigen Abend mit drei großen Bands.

Setlist Fiddler’s Green:
1. The More The Merrier
2. Down
3. P Stands For Paddy
4. Life Is Full Of Pain
5. Sporting Day
6. Perfect Gang (Traditional)
7. Bottoms Up
8. John Kanaka
9. Rocky Road To Dublin (Traditional)
10. Yindy
11. Old Dun Cow
12. Blarney Roses
13. The Leaving Of Liverpool (Traditional)

Setlist Donots:
1. Geschichten vom Boden
2. Keiner kommt hier lebend raus
3. Wake the Dogs
4. Dead Man Walking
5. Whatever Forever
6. Calling
7. Eine Letzte Runde
8. Ich mach nicht mehr mit
9. Dann ohne mich
10. Kaputt
11. Stop The Clocks
12. Whatever Happened To The 80s
13. Problem kein Problem
14. Hier also weg
15. Piano Mortale
16. We’re Not Gonna Take It (Twisted Sister Cover)

17. So Long

Setlist Dropkick Murphys:
1. Captain Kelly’s Kitchen
2. The Boys Are Back
3. Prisoner’s Song
4. Sandlot
5. Johnny, I Hardley Knew Ya
6. Blood
7. Barroom Hero
8. Caught in a Jar
9. Buried Alive
10. Sunshine Highway
11. The Wild Rover (Traditional)
12. The State Of Massachusetts
12. The Walking Dead
13. The Irish Rover (Traditional)
14. First Class Loser
15. Worker’s Song
16. Rose Tattoo
17. Our Of Our Heads
18. Going Out In Style

19. Body Of An American (Pogues Cover)
20. Shipping Up To Boston
21. Until The Next Time
22. Dirty Deeds (AC/DC Cover)

Bericht und Fotos: Michael Buch

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