
Mit ihrem Debüt-Album „Re-Evolve“ haben die Polnischen Crusties Orphanage Named Earth eines der stärksten Crust-Alben der letzten Jahre veröffentlicht. Die Mischung aus treibendem D-Beat, Post-Metallischer Atmosphäre und vielschichtiger Aussage war nahezu perfekt. Dieses Album zu toppen ist fast unmöglich, möchte man meinen. Und so ist es auch.
Das heißt aber nicht, dass Orphanage Named Earth ihren zweiten Opus „Saudade“ gegen die Wand fahren. Ganz im Gegenteil. Der Fünfer versucht es erst gar nicht, sich mit „Re-Evolve“ zu messen oder es zu reproduzieren. Stattdessen drosseln sie den D-Beat-Motor und geben den atmosphärischen Passagen mehr Raum. Dazu addieren sie noch ein wenig Doom, sodass die sechs bzw. sieben Songs einen düsteren, aber auch verwobeneren und verspielteren Ausdruck bekommen. Sie gehen einen ähnlichen Schritt, den die schottischen Earth-Punks Sedition seinerzeit gegangen sind, als sie sich in Scatha umbenannt haben. Die Musik war nur noch Untermalung für lange, aussagekräftige Texte und unzählige narrative Passagen, die dazu dienten, dem Anliegen Scathas mehr Tiefe zu verleihen. Auch Orphanage Named Earth arbeiten mit vielen erzählerischen Momenten und Einspielungen von Zitaten.
„Saudade“ is our yearning for what humanity has lost and forgotten along the way. The roots.
Orphanage Named Earth machen sich Gedanken, wo wir her gekommen sind und wo wir uns hin entwickeln. Und diese Aussicht ist nun mal keine rosige. Der Mensch sollte sich wieder bewusst werden, dass er ein Teil der Welt ist und nicht umgekehrt. Er hat sich die Welt nicht Untertan gemacht, er hat sie versklavt und bis aufs Blut ausgebeutet. Genau diesen Verlust der Wurzeln thematisieren Lieder wie ,Civilised Savages‘ oder ,Future Found In Hope‘. Wir wissen es besser. Wir können es besser. Wir müssen nur bald wieder auf den richtigen Weg zurück finden. Dem entsprechend spiegelt „Saudade“ die Dunkelheit des derzeitigen Weges wieder, aber auch die Hoffnung, dass wir es schaffen können, wenn wir nur wollen.
Daher ist das Album sperrig, auf keinen Fall easy listening und lässt manchmal einen Fluss vermissen. Viele Elemente wirken beim ersten Hören zusammengebastelt, ergänzen sich nicht immer. „Saudade“ braucht Zeit, um sich zu entfalten. Und ist dann wieder ein Romantic-Crust-Album erster Güte, so wie das superbe Artwork, dass wieder mal von Andy Lefton (War/Plague, Tau Cross) stammt. „Saudade“ ist Musik für einen dunklen Kellerklub, den Lautstärkeregler bei elf.