Rock Masterpieces Vol. 1

Jean Beauvoir hätte eigentlich einer größten Rockstars der Achtziger werden müssen. Er hatte die Looks (ein baumlanger Afroamerikaner mit blondem Mohawk), eine großartige und unverkennbare Stimme, exzellente instrumentale Fertigkeiten und enormes Songschreibertalent, Qualitäten, auf die u.a. Kiss, die Ramones, Debbie Harry, Doro Pesch und, na ja, N’SYNC oft und gerne zurückgriffen. Darüber hinaus fühlte er sich in jedem musikalischen Genre von Punk bis Synthiepop zuhause, obwohl der Hardrock immer seine große Liebe blieb. Gespielt hat er mit so unterschiedlichen Bands wie den Plasmatics, Little Steven und der DooWop-Legende The Flamingos – über Kultstatus kam Beauvoir dennoch nie heraus.

Ob seine poppig-funkigen Soloalben, die Hardrockscheiben mit Crown Of Thorns oder sein kurzlebiges, aber göttliches AOR-Projekt Voodoo X (u.a. mit Nena-Keyboarder Uwe Fahrenkrog-Petersen!), Beauvoirs Alben waren immer klasse – und sind auch allesamt längst vergriffen. So kommt die Ankündigung einer zwei Discs umfassenden Retrospektive des Künstlers sehr gelegen: der erste Teil liegt nun unter dem Namen „Rock Masterpieces Vol. 1“ vor. Dabei beschränkt sich das Album auf Beauvoirs Bands, in denen er als Sänger und Boss in Erscheinung trat. Die Beinahe-Hits ‚Feel The Heat‘ (solo) und ‚Voodoo Queen‘ (Voodoo X) sind genauso vertreten wie Highlights aus der Crown Of Thorns-Karriere. Wer Songs wie die Genannten, ‚Secret Jesus‘ oder ‚Hike It Up‘ noch nicht kennt und eine Schwäche für erstklassigen AOR und Heavy Rock hat, wird hier eine wahre Schatzkiste finden. Stilistisch ist das irgendwo zwischen Kiss zu „Animalize“/“Asylum“-Zeiten (an beiden Alben war Beauvoir als Songwriter und Basser beteiligt) und „Slippery When Wet“/“New Jersey“-Ära Bon Jovi mit gelegentlichen Led Zeppelin– und Prince-Anleihen angesiedelt. Die Tracklist kommt völlig ohne Ausfälle, und alle Songs wurden in den Original-Studiofassungen berücksichtigt, obskure Remixes, Livesongs oder Neuaufnahmen gibt’s hier keine. Zugegeben, auch keine neuen Tracks, aufgrund der Seltenheit des Materials ist dies aber keinesfalls ein Kritikpunkt.

Aber, ein wenig Mecker gibt’s trotz der exzellenten und unbedingt empfehlenswerten Musik trotzdem. Denn, ganz ehrlich: warum gibt’s die beiden Teile nicht gleich als Doppel-CD? Vermutlich, damit man zweimal abkassieren kann. Auch die Spielzeit mit gerade mal 62 Minuten ist für eine karriereumspannende Compilation etwas dürftig ausgefallen – vor allem, weil beispielsweise vom Funk-lastigen zweiten Soloalbum ‚Jacknifed‘ oder dem experimentellen Drittwerk ‚Chameleon‘ auf „Vol. 1“ (noch) keine Beiträge zu hören sind. Auch das Remaster ist nicht unbedingt für audiophile Geschmäcker zu empfehlen: hier wurde ziemlich komprimiert und mit massivem Höhenboost auf Lautstärke gebürstet.

Dennoch, wer Beauvoir bislang noch nicht auf dem Schirm hatte oder keine Lust hat, einen Haufen Geld für gebrauchte CDs hinzulegen, findet hier einen exzellenten Einstieg ins Werk eines der talentiertesten Musiker der AOR-/Hardrockszene. Klar, schöner wäre es, wenn die Alben komplett wiederveröffentlicht werden würden, aber solange das nicht passiert, kann man hiermit nicht viel verkehrt machen. Ich freue mich schon auf „Vol.2″…

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