|

Resist

„Wir waren irgendwie durch mit Orchestern und klassischen Metal-Riffs. Das haben wir schon Tausende Male zuvor gemacht.“ So spricht Sharon den Adel übers neue Within Temptation-Album. Ja, ohne Frage, das hört man. Der als Nu Metal bekannt gewordene Mix aus harten Riffs, HipHop-Grooves und elektronischen Spielereien ist derart ehedem wieder schwer im Kommen – sicher begünstigt dadurch, dass nach dem Ende von Linkin Park von findigen Labelbossen die Suche nach einem Nachfolger ausgeschrieben wurde. So also auch bei Within Temptation: statt zurück zum Symphonic Metal geht die Band auf „Resist“ den Weg weiter, den sie mit den umstritteneren Stücken auf „Hydra“ eingeschlagen hatte, mehr Modernität, mehr Elektronik, ja, und viel mehr Pop. Der Einfluss von Linkin Park und des Stadion-Indiepop von Imagine Dragons sind allgegenwärtig, und natürlich hört man auch die Vorreiter dieses Stils, nämlich Evanescence, ganz klar und deutlich heraus. Wer also schon bei Songs wie ‚And We Run‘ das kalte Grausen bekam, wird diesmal so richtig Mundfasching haben.

Wenn man nun einmal davon absieht, dass „Resist“ mit den ersten vier Alben der Band musikalisch überhaupt nichts gemeinsam hat, muss man der Band zugestehen, erstens die Saat für diesen Wechsel bereits seit „The Unforgiven“ zumindest in kleinen Dosen gestreut zu haben und zweitens im neuen Soundgewand gar keine schlechte Figur zu machen. Zugegeben, wenn die Band selbst behauptet, Resist sei „härter, dreckiger und futuristischer als alles, was wir zuvor gemacht haben“ (Infotext), muss man das als Unsinn abtun – Ecken, Kanten, Düsteres oder gar Überraschendes gibt es hier nicht. Aber dafür eine ganze Menge großer Hooklines, die geradezu danach schreien, im nächsten Marvel- oder DC-Superhelden-Bombast-Schinken eingesetzt zu werden. Ja, Within Temptation scheinen sich in diesem Heavy-Pop tatsächlich wohler zu fühlen als dort, wo sie herkommen. Denn wo früher gerne mal der Kitsch über die Stränge schlug oder man sich über die eher Alibi-mäßig eingesetzten und nicht allzu kraftvoll klingenden Deathgrunts von Robert Westerholt amüsierte, ist auf „Resist“ tatsächlich alles aus einem Guss, nichts klingt angestrengt oder übertrieben. Und Sharon Den Adel gibt die wohl souveränste Leistung ihrer kompletten Karriere ab. Fast komplett ohne Pseudoklassik- und Trällerelfen-Manierismen (die sie fairerweise gesagt aber eh schon seit Jahren weitgehend abgelegt hat), dafür mit ziemlich viel Power und ungewohnter Bodenständigkeit, dominiert sie das Geschehen auf „Resist“ und deklassiert ihre prominenten Duettpartner Jacoby Shaddix (‚The Reckoning‘) und Anders Friden (‚Resist‘) zu puren Statisten. Selbst das Liebäugeln mit Sprechgesang (das Wort Rap wäre etwas übertrieben) auf ‚Holy Ground‘ geht zu meiner Überraschung nicht in die Bux, sondern klingt, nun ja, perfekt zum Song passend. Respekt!

Ob es Within Temptation gelingt, ihre existierende Fanbase in ihre neue musikalische Richtung mitzunehmen, bleibt abzuwarten. Von den Metalfans ist diesbezüglich nicht viel Sympathie zu erwarten – die dürften die Holländer aber schon lange aufgegeben haben. Klar, für einen echten Klassiker ist „Resist“ dann doch zu „nett“ und poppig geworden, da fehlt doch ein wenig Eigensinnigkeit – das war aber eh nie wirklich ein Trademark von Within Temptation. Und „Resist“ hat ausreichend Hitfutter zu bieten, das eventuell sogar eine ganz neue Mainstream-Hörerschaft ansprechen könnte. Das amerikanische Stadionrock-Publikum dürfte die hymnischen Melodien, die breitwandige Produktion und den schamlosen Pathos nämlich geradezu aufsaugen. Ist es eigentlich zu knapp, noch einen der Songs im Nachspann von „Captain Marvel“ zu platzieren?

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar