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Moral Hygiene

Zum Glück gibt es all die George W.s und Trumps, sonst hätte Al Jourgensen nichts, an dem er sich reiben könnte und Ministry wären schon längst Geschichte. Desinformation ist sein heutiges Thema, das er mit „Moral Hygiene“ (Nuclear Blast Records) intensiv beackert. Zwar sticht und schneidet Ministry musikalisch nicht mehr so genial wie zu Zeiten von „The Mind Is A Terrible Thing To Taste“, „ΚΕΦΑΛΗΞΘ“ oder „Filth Pig“. Trotzdem ist der gute Al eine zuverlässige Konstante, wenn es darum, das Maul aufzureißen und ätzendes Salz in offene Wunden zu streuen.

Ministry sind Don Quijote – Don Quijote ist Ministry

Seinen Nachbar muss man nicht lieben, ihn respektieren auf jeden Fall. Dieser Respekt vor dem Nächsten ist verloren gegangen. Lug und Betrug, Fake News und alternative Wahrheiten sind en vogue. Gegen diese Windmühlen kämpfen Ministry mit aller Macht an. Schon länger sind die Songs nicht mehr rasend schnell, sondern von Rhythmus und Kompaktheit geprägt. Der Einsatz von Sprach-Samples und vom Computer generierte Sounds nimmt immer mehr Platz ein. Damit sind die zehn Stücke auf „Moral Hygiene“ so tanzbar wie noch nie geworden. Jourgensens Mundharmonika findet ebenfalls ihren Platz. Schon der Opener ,Alert Level‘ groovt sich fett in die in den Bewegungsapparat und gibt somit die Richtung vor.

Wer Lard immer noch nachheult, kommt mit ,Sabotage Is Sex‘ voll auf seine Kosten. Jello Biafra gibt sich ein Stell-dich-ein, wie immer mit einem seinen subversiven, lyrischen Essays. EBM-Junkies werden mit ,Desinformation‘ befriedigt. Und wenn sich schon zwei der einflussreichsten Lästermäuler treffen, dann ist der Weg nicht weit zur Ikone der intensiven Live-Performance und großer, eigenwilliger Worte. Ministry legen – wiedermal – eine superfeine Coverversion von ,Search And Destroy‘ von den Stooges hin. Herrlich demontiert und wieder stilecht zusammengesetzt. Top!

Ministry auf dem Weg zu alter Stärke

Ein wenig ungewohnt ist eine Nummer wie ,We Shall Resist‘, das düster, fast ausschließlich mit gesprochenen Worten auskommend, viereinhalb Minuten durch die Gehör- und Gedankengänge wabert. Danach folgen dreieinhalb Minuten Hip Hop-groovige Samples zum Thema Covid-19 und Jourgensens unvergleichlich große Klappe, nur nicht verzerrt wie üblich. Den Abschluss macht eine aberwitzige Version von ,TV Song‘, ursprünglich von „ΚΕΦΑΛΗΞΘ“ stammend, als „Right Around The Corner“-Mix.

Auch wenn sich die letzten Ministry-Alben auf einem überdurchschnittlichen bis guten Niveau eingependelt haben, fehlt irgendwie mal wieder ein richtiges Hit-Album; Hit im Sinne von „Treffer ins Schwarze“. „Moral Hygiene“ ist dies wieder mal nicht, aber es musikalisch überraschender und vielseitiger als die Vorgänger. Vor allem sind die zehn Songs Ministry pur. Die Wahrheit ist obsolet! Und die Wahrheit heute ist, „Moral Hygiene“ ist ein ziemlich gelungenes Album. Mit einem genialen Artwork, das im Stil an Winston Smith erinnert.

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