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Lotus

Soen haben sich mittlerweile stilistisch ganz klar gefunden. Obwohl sich die Band um Wunderdrummer Martin Lopez (ex-Opeth) auf ihrem Debüt als ziemlich dreister Tool-Klon gerierte, hatte sich schon auf dem 2017er Drittwerk „Lykaia“ ein ziemlich eigener Sound herauskristallisiert, der irgendwo zwischen mitteldüsterem Progressive Metal, getragenem Art Rock und bisweilen durchaus kommerziellem Alternative Rock einpendelte. Das neue Album „Lotus“ rüttelt an diesem Grundrezept nur wenig. Böse ausgedrückt könnte man der Band Stagnation vorwerfen und „Lotus“ als „Lykaia 2.0“ bezeichnen. Will man es hingegen positiv sehen, konzentriert sich die Band auf ihre Stärken und hat am mittlerweile etablierten Bandsound nur mehr Feintuning vorgenommen – und dabei das musikalische Gesamtniveau tatsächlich noch einmal deutlich gesteigert.

Am Auffälligsten ist auf „Lotus“, das die Band den Gesang von Joel Ekelöf noch deutlicher als zuvor in den Vordergrund rückt. Das macht das Album noch einmal ein gutes Stück eingängiger als seine Vorgänger, und nicht zuletzt aufgrund Joels stimmlicher Ähnlichkeit zu Mikael Akerfeldt klingt bei einigen Songs ganz klar die DNA von Opeth durch. Naja, wenn man sich vorstellen kann, dass diese statt in den Siebziger-Prog eher zum melodischen Artrock Marke Porcupine Tree abgewandert wären. Mit der ersten Single ‚Martyrs‘ (knorke Video übrigens, by the way) hat die Band diesmal sogar eine richtig kommerzielle Nummer mit formatradiotauglicher Hookline am Start. Oder vielmehr, hätte, wenn sie nicht sechs Minuten lang wäre und sich den Luxus eines schönen, pianogetragenen Mittelparts a la Wilson™ gönnen würde. Erfreulich: auch wenn Martin Lopez auf „Lotus“ songdienlicher als je zuvor trommelt, natürlich muss niemand auf die musikalischen Kabinettstückchen verzichten, die man von Soen erwartet. Die sorgen für die nötige Abwechslung, kommen immer dann, wenn man sie braucht und halten den Fluss nicht länger auf als nötig. Im etwas an die letzten Soloalben von David Gilmour erinnernden Titelsong kommen Soen sogar komplett ohne Metal-Riffing aus und bauen komplett auf die traumhafte Atmosphäre, inklusive eines wunderbar elegischen Gitarrensolos. Das erinnert insgesamt ein wenig an die Entwicklung, die Baroness auf ihrem experimentierfreudigen Doppeldecker „Yellow/Green“ gemacht hatten – bleibt zu hoffen, das Soen im Gegensatz zu ihren Kollegen keine kalten Füße bekommen und demnächst wieder rückwärts marschieren. Gerade dank der stilistischen Öffnung klingen Soen heute deutlich eigenständiger als auf speziell den ersten beiden Alben.

Klammheimlich haben sich Soen in den letzten Jahren also zu einer der hochwertigsten Bands auf der dunklen Seite des Prog gemausert. Was aufgrund der fehlenden Kraftmeierei für den einen oder anderen Hörer aus dem Metal-Kreis eher unspektakulär wirken könnte, entpuppt sich für den eher auf Atmosphäre und Melodie fixierten Progger als wahre Fundgrube großartiger Songs ohne Durchhänger, die mit Bands wie Riverside, Anubis oder sogar Opeth und Steven Wilson absolut mitziehen kann. Die warme und trotz Metal-Energie und Pathos erfreulich organisch klingende Produktion rundet eine starke Scheibe, die die Band auch kommerziell gesehen ein gutes Stück weiterbringen dürfte, perfekt ab. Mein persönlicher Favorit für den mit starken Releases gespickten Februar!

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