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Los Brandos

The Brandos aus New York haben kommerziell gesehen nie wirklich den Durchbruch geschafft. Das hat ihre Die-Hard-Fans aber nie gestört. Die haben den knochentrockenen Rock’n’Roll der Band, irgendwo zwischen Creedence Clearwater Revival, John Mellencamp und den ganz frühen R.E.M., immer höchst leidenschaftlich abgefeiert und garantieren der Band auch heute noch ein Auskommen – speziell in Deutschland. Bei der Kickstarter-Kampagne, die das aktuelle Album „Los Brandos“ finanzierte, haben beispielsweise gerade mal 104 Pledger satte 26251 US-Dollar zusammengetragen – rechnet man das auf die Einzelperson um, kann man sich schon ein gutes Bild vom Grad der Fanleidenschaft machen.

Ergo hat Bandboss Dave Kincaid auch die Freiheit, zu tun und zu lassen, was er will. Satte zehn Jahre hat Kincaid am vorliegenden Album gearbeitet – und möglicherweise waren das einfach ein paar zuviel. Auf „Los Brandos“ überwiegen dieses Mal die schon im Ansatz auf dem Vorgänger „Over The Border auftauchenden mexikanischen Einflüsse, und das geht soweit, daß Kincaid die Hälfte der zehn Songs sogar in Spanisch singt. Das ist allerdings nicht der Grund, warum „Los Brandos“ nicht die gleiche Begeisterung auslöst wie „Gunfire At Midnight“, „Honour Among Thieves“ oder das Muss-man-als-Rockfan-haben-Livealbum „In Exile“. Die Songs des Albums sind teilweise nämlich eher sperrig ausgefallen und wirken zunächst nur wenig mitreißend, bisweilen gar ein wenig unfertig. Am schleppenden Opener ‚Senor Coyote‘ ist das Problem vieler Songs des Albums gut aufzuzeigen. Nach der schönen Strophenmelodie und der von unkonventionellen Harmonien getragenen Bridge erwartet man eigentlich einen Kracherrefrain, stattdessen versandet das Ganze, ohne den erhofften Höhepunkt zu erreichen. Auch die Produktion, die relativ undynamisch, bisweilen gar muffelig ausgefallen ist und ausgerechnet Kincaids prägendes Organ oft zu weit in den Hintergrund rückt, sorgt dafür, daß man sich an Vieles erst gewöhnen muss.

Das heißt aber nun nicht, daß „Los Brandos“ misslungen ist. Speziell in der zweiten Hälfte des Albums schließen The Brandos definitiv ans Niveau ihrer eigenen Vorlagen an. Zupackende Rocker wie ‚Maligna Presencia‘ und das an die eigenen Klassiker erinnernde ‚These Troubled Times‘ und das melancholische ‚Bella Encantadora‘ sind genau der Stoff, auf den man als Brandos-Fan gewartet hat. Auch die folkige Ballade ‚What Kind Of A World‘ und das kurze Spaßstück ‚A Todo Dar‘, bei dem man geradezu den ollen Speedy Gonzalez um die Ecke rasen sieht, können absolut punkten. Ja, und natürlich gibt’s jede Menge schweinegeiler Gitarrensoli. Denn Kincaid ist nicht nur ein großartiger Sänger, sondern auch ein sehr versierter Gitarrist, der im Gegensatz zu vielen Kollegen im Roots-Rock-Sektor immer noch gerne die Sau rauslässt. Das untypische ‚Woodstock Guitar‘ mit seinen Querverweisen zum jungen Neil Young und The Who dürfte live mit ausgedehnteren Solopassagen nochmal weit besser kommen als in der Studioversion. Ähnlich wie auf dem letzten Album die Coverversion von ‚Guantanamera‘ fällt diesmal aber auch ein Song über die Kitschgrenze. ‚Jacinto Chiclana‘ erstickt an Pathos und Violinengedudel und landet leider ziemlich tief im Gypsy Kings-Klischeegerödel.

So bleibt unterm Strich ein willkommenes und gutklassiges, aber die Erwartungen nicht hundertprozentig erfüllendes Album, das vermutlich hauptsächlich an bereits überzeugte Fans verkauft werden wird. Fürs nächste Album sollte Kincaid vielleicht eher wieder eine spontanere Produktionsweise, am Besten mit seiner Liveband, ins Auge fassen. Denn die Energie, die The Brandos nach wie vor auf der Bühne versprühen, ist im Endeffekt eben doch die größte Stärke der Band.

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