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Go On

‚Are we always looking out for something new? / Better to move on before the stillness catches you‘

Wouldn’t

Tim Crabtree hat sich wieder in Bewegung gesetzt. Mit dem zweiten Album seines One-Man-Projekts Paper Beat Scissors sieht sich der Singer-Songwriter vor dem großen Thema des Stillstehens. ‚Go On‘ rät er deshalb, ein Albumtitel, der kaum passender hätte sein können. Der Brite, der selbst vor zehn Jahren einen Neustart in Kanada wagte, gibt sich dabei ganz der Poesie der Sehnsucht hin und schreibt seine eigenen Rezepte für einen gelungen Befreiungsschlag und den richtigen Neuanfang.

Wie schon das selbstbetitelte Debüt Crabtrees vereint ‚Go On‘ folkige Indiemusik mit elektronischen Einschlägen. Dennoch geht er mit seinem Zweitling einen beachtlichen Schritt voraus. Nicht nur in Sachen Produktion setzte sich der Wahlkanadier gehörig in Bewegung. Zwischen Montreal, New York, Halifax, Toronto und dem Elternhaus im englischen Lancashire suchte er Inspiration und holte sich Unterstützung von alten Bekannten wie Michael Feuerstack, Gregory Burton und Pietro Amato, die den orchestralen Arrangements den letzten Schliff gaben. Es ist vor allem die Musik, die den Kinderschuhen entwächst und deutlich mehr Tiefe erlangt. War das selbstbetitelte Debüt noch an einigen Stellen über verzerrte Beats gestolpert und sehr viel gitarrenlastiger, schafft es ‚Go On‘ System und Ordnung in die gefühlvollen Songs zu bringen.

Großer Pomp und Dramatik wirken gleichzeitig klein und verletzlich. Die Songs schweben zwischen melancholisch verträumten Pianoklängen und befreienden Up-Tempo-Beats. Dabei bleibt Crabtrees Akustikgitarre selten prägnant, sondern fügt sich harmonisch in die prächtig geknüpften Klangteppiche ein. Es sind aufwendige Arrangements, die ‚Go On‘ so faszinierend machen: Zwischen Bass, Gitarre und Beats verstecken sich Marimba, Klarinette, Blechbläser und Streicher. Elektronisches fusioniert mit Klassischem und versucht das Indie-Pop-Image des Singer-Songwriters mit allen Mitteln von der Kante zu stoßen. Allem Aufpolieren zum Trotze wirken einige seiner Songs weiterhin einfach und sanft. Insbesondere das Album-Highlight ‚Altona‘, das Leise und Laut grandios zu verbinden weiß, zeigt, dass Crabtree im Herzen doch noch ein bescheidener Gitarrenspieler ist. Hier verschmilzt sein facettenreicher, gefühlvoller Gesang mit dem Gitarrenpicking zu einem furiosen Finale.

Auch wenn ‚Go On‘ ein deutliches Upgrade zu Paper Beat Scissors gleichnamigen Debüt darstellt, droht das Album gerade im Mittelteil abzufallen. Songs wie ‚Unfazed‘ oder ‚Onwards‘ allein gehört sind beachtliche Balladen, die aber gerade im Gesamtpaket doch noch lange nicht an die wirklichen Sahnestückchen herankommen. Immerhin schlagen sie eine nette Brücke zum Rest und nehmen dem Album nicht die Überzeugungskraft.

Die detailverliebten Melodien auf ‚Go On‘ erhalten das Gefühl der Sehnsucht und öffnen den Blick für die Zukunft. Die Tracks bieten hierfür ein Bett zum Träumen. Auch wenn die Songs in der Mitte ein wenig von ihrer hohen Qualität einbüßen, gelingt ihm das Kunststück, die intensive Stimmung von Anfang bis Ende zu halten und den Hörer zu verzaubern.

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