Girls In Peacetime Want To Dance
In schnelllebigen Zeiten hat es der Pop schwer. Aus den Augen aus dem Sinn ist schon längst das Credo großer Hitproduzenten. Tiefgründig assoziiert man kaum noch mit dem was eingängig und massentauglich auf den Warentisch kommt. Wo lässt sich also der Urschleim guter Laune und tanzbarer Musik noch finden? Die Rede ist von Pop, der fernab vom Mainstream zu begeistern weiß und Meilensteine setzt.
Und da kommt diese Glasgower Combo ins Spiel: Eine Truppe scheuer Schotten, die der Kamera und der großen Aufmerksamkeit genauso viel abgewinnen kann wie Beyoncé einem Auftritt ohne Pomp und Extravaganz. Belle and Sebastian machen feinste Popmusik: massentauglich, aber trotzdem voll wahrhaftiger Lyrik, die Tagebücher junger Erwachsener zum Überfluss füllt. ‚Girls in Peacetime Want to Dance‘ ist seit 1996 mittlerweile das neunte Album im Plattenregal der fast ununterbrochen produktiven Hitmaschinerie. Wer glaubt man müsse sich nun neu erfinden, um auf Anerkennung zu stoßen, hat weitgefehlt. Und das hat einen guten Grund.
‚Girls in Peacetime…‘ ist – eigentlich wie jedes andere ihrer Alben – ein gesetztes Statement gegen jeglichen künstlich auferlegten Druck. Jeder Song wird problemlos als Marke Belle and Sebastian identifiziert. Sie bleiben sich treu in Facettenreichtum und lyrischer Raffinesse. Es gibt kein plötzliches Aufspringen auf den Zug einer Welt im 21. Jahrhundert. Ihre nostalgische Blase nährt sich weiterhin von honigsüßen, akustischen Indiemelodien, kleinen orchestralen Einschüben oder Northern Soul-Grooves sowie universalen Lebensweisheiten aus dem Alltag der unteren Mittelschicht. So glänzt etwa ‚Ever Had a Little Faith‘ in bekannter Weisheit zwischen den anderen Popperlen mit herzzerreißender Sehnsuchts-Lyrik:
‚Something good will come from a little faith‘
. Opener und Album-Highlight ‚Nobody’s Empire‘ ertönt im klassischen Popgewand, hält aber eine ganz neue Offenheit Frontmann Stuart Murdochs bereit, der seine Jungendzeit in wundervoll sensibler Weise preisgibt.
Selbst die alten Hasen versuchen sich dann doch mal in anderen Disziplinen. Man mag sich fast am heißen schwarzen Tee verschlucken, wenn es ganz plötzlich Synthie-Hooks regnet. Auf den ersten Blick bizarr scheinen die Abstecher in schwedische Disko-Pop Gefilde wie mit ‚The Party Line‘ oder ‚Enter Sylvia Plath‘ (gleichzeitig ironische Meisterleistung, denkt man einmal an die von Suizidgedanken durchtränkten Gedichte der britischen Lyrikerin). Dank ihrer hohen Eingängigkeit funktionieren die Songs. Klar wird dennoch, dass die traditionell befahrenen Gewässer immer noch die schönsten sind.
Belle and Sebastian ist ein weiteres solides und gutes Album gelungen, indem sie sich absolut treu bleiben. Ein Album, das große Popmusik nach außen trägt und beweist, dass man selbst in turbulenten Zeiten nicht immer mit dem Zeitgeist gehen muss. Ob es nun Interessenlosigkeit gegenüber den kontemporären Trends ist oder das Leben in ihrer ganz eigenen Welt, simpel ist ihre Formel allemal:
‚Be popular / play pop, and you will win my love‘
heißt es in der Schunkelhymne ‚The Everlasting Muse‘. So haben es Belle and Sebastian schon immer gemacht und sollten damit auch besser nicht aufhören.