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Genesis XIX

cover SODOM - Genesis XIX

Seit dem überraschenden Rauswurf der „Decision Day“-Crew treibt sich in der Metal Community die Frage nach der Zukunft der Ruhrpott Thrash Metal-Legende Sodom um. Die Rückkehr von Frank Blackfire hat die Wogen ein wenig glätten können, ebenso die Live-Auftritte in der neuen Besetzung. Doch dann folgte ein weiterer Wechsel, dieses Mal am Schlagwerk. Auch die beiden EPs konnten den Wellengang nicht wirklich in beruhigen. Nun liegt das Album auf dem Tisch, das von allen Seiten mit kaum auszuhaltender Spannung erwartet wird. „Genesis XIX“ (Steamhammer/SPV) bedeutet Schritte zurück, zur Seite, nach vorn und wieder zurück.

Tom Angelripper nimmt die gesamte Geschichte Sodoms und wirbelt sie ordentlich durcheinander. Übrig bleibt eine Mischung aus der räudigen Frühphase, den Blackfire-Tagen, den Punk-Anleihen und Toms Faible für dreckigen Hard Rock à la Tank. Insgesamt ist das 16. Sodom-Album ungewohnt düster ausgefallen und ganz weit weg von den Trends der Musik-Industrie. Die zwölf neuen Songs sind aggressiv und wütend, ungeschliffen und rotzig, mehr Venom als Motörhead. Beim ersten Durchlauf ist „Genesis XIX“ nahe einer Enttäuschung, da auf Anhieb Kracher wie ,Into The Skies Of War‘ oder ,Buried In The Justice Ground‘ oder ,Among The Weirdcong‘ fehlen. Die Ecken und Kanten im Songwriting und im Sound sind Störfeuer, das man nicht in dieser heftigen Art erwartet.

Mehr Venom als Motörhead

Mit jedem neuen Arbeitsgang, ob chronologisch oder per Zufall, entwickeln sich die Songs allmählich. Wie schon ,Procession to Golgatha‘ 1989 stampft das Intro ,Blind Superstition‘ schwerfällig los bevor es ,Sodom & Gomorrah‘ in bester 80er-Jahre-Manier übergeht und perfekt auf „Expurse Of Sodomy“ Platz gefunden hätte. ,Euthanasia‘ ist wieder ein mächtiger Thrasher, wie er zur der bereits erwähnten Ära von Sodom geschrieben worden wäre, dafür mit Freitod und Sterbehilfe ein brandaktuelles Thema aufgreift. Vor allem das Drumming von Neuling Toni Merkel erinnert an diese glorreichen Tage.

Lange braucht der siebenminütige Titelsong bis er richtig los legt. Dann aber richtig! Inzwischen wird deutlich, dass Sodom das Augenmerk auf die Riffs der beiden Sechssaiter Blackfire und Yorck Segatz legt gegen die Angelripper mit seinem heiseren Organ und – recht verhaltenen – Tieftöner förmlich ankämpfen muss. Bis hierhin bieten der Fünfer wenig Neues, außer dass die Songs ihren ganz eigenen Stil im Sodom-Universum entfalten.

Einem sinnentleerten Leben in dieser Republik widmet das Thrash-Quintett die groovige Midtempo Walze ,Nicht mehr mein Land‘, die mit einigen Blastbeats angereichert wird. Stakkato olé – ,Glock ‘n‘ Roll‘ ist Thrash‘n‘Roll pur. ,The Harpooneer‘ ist ein durchaus kurioses Stück aufgrund des überdominanten Einsatzes des Crash Rides. Inhaltlich dem Kracher ,Tribute to Moby Dick/Silence‘ Is Consent“ von 1994 nachfolgend, ist das Stück nicht ganz so schnell und gradlinig wie der Vorgänger, dafür ein wahres Thrash Metal-Epos mit seinen sieben Minuten. Auffallen tun hier die kurzen Licks, die man eher von irgendwelchen Techno Thrasher erwartet. Zum Glück sind Sodom so weit wie möglich davon entfernt.

Rückkehr zum ehrlichen Thrash Metal der 80er-Jahre

Das möchte-gern harmonische Intro zu ,Dehumanized‘ hat etwas von einer Gothic Band, die ungeschönte, tränenfreie Bestandsaufnahme unserer Welt anno 2020 steht eher im Kontrast dazu. Das Thrash-O-Meter sagt: 11! Auf die ungestüme Kettensäge folgt die Schunkelnummer, die uns auf das Ende unserer Komfortzone im sicheren Europa vorbereitet. Die wilde Mischung aus Killing Joke und Manowar im Mittelteil, die schwer zu verdauen ist, spiegelt dies wider. Darauf muss einer erst mal kommen.

Mit ,Waldo & Pigpen‘ kehren die Ruhrpottler zum einstigen Hauptthema der Band, dem Krieg, zurück. Der erste Teil ist eine schlechte Kopie von ,Remember the Fallen‘, der zweite Teil ist hingegen Thrash Metal per excellence. Dass Angellripper nicht nur auf altehrwürdigen Hard Rock steht, ist kein Geheimnis, dass er aber auf deftigen Punk der Discharge-Schule kann, hat er mit den Sacrilege-Cover bewiesen. Diese simple Linie führt er fetzig mit der Eigenkreation ,Indoctrination‘ weiter. Schließen tun Sodom den 55-minütigen Reigen mit dem, im wahrsten Sinne des Wortes, atemberaubenden Thrasher ,Friendly Fire‘.

Mit „Genesis XIX“ orientieren sich Sodom an ihrer Hochphase Ende der 80er, laufen aber nicht in die Falle, diese stumpf zu kopieren. So massiv, so räudig, so gefährlich waren Sodom schon lange nicht mehr. Tom Angelripper scheißt eben auf gängige Metal-Konventionen und hat sich mit seinen letzten Entscheidungen den Kopf frei gemacht, für das, worauf er Bock hat: ehrlichen Thrash Metal! So einfach, so gut, so gelungen!

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