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Evil Lullabies

Mit Definition Of Madmen schicken die Niederlande einen weiteren Kandidaten in Sachen Vintage-Rock Debüt ins Rennen. Eine Band, die sich für so authentisch hält, dass sie ihr erstes Studioalbum prompt einmal analog aufnimmt und produziert. Interessant auf jeden Fall, was einem da mit dem Namen ‚Evil Lullabies‘ auf den Tisch flattert.

Das Album beginnt anders als erwartet. Anstelle des angekünfigten Drive und der Energie traben schleppend groovende AC/DC Riffs durch die Lautsprecher, begleitet von möglichst minimalistischem Schlagzeug. Über die Definition von Energie mag sich streiten lassen, jedoch kommen mir diese ersten Songs auf der Platte eher wie die Art Musik vor, die man den heute von ihren Kindern in vollausgestattete, rund um die Uhr bewachte und umsorgte Seniorenresidenzen gesteckten Altrockern vorspielt, um ihnen zeitgleich ein Gefühl jugendlicher Frische zu geben ohne dabei das Risiko eines arteriosklerotischen Schocks unnötig zu steigern. Mit dem weiteren Verlauf des Albums gewinnt zwar nicht die Entwicklung hin zu interessanter Abwechslung, aber immerhin die konsequentere Verfolgung der Bluesrock Attitüde. ‚Not My Way‘ groovt dabei immerhin schon etwas mehr, kann den gleichgültigen Trab der Karawane aber noch immer nicht ganz abschütteln und ist zudem gespickt mit harmonisch fragwürdigem Gesang. Die ‚Steigerung‘ die der Song im letzten Drittel erfährt ist so unzufriedenstellend ausgeführt, dass die Erdung dieser in den stinknormalen Refrain zum Ende beinahe etwas beleidigend unoriginell erscheint. ‚Don’t Fake It‘ an nächster Stelle gestaltet sich als eine Art Sinnbild dieses Albums. Prinzipiell sind gute Parts dabei, das Grundgerüst des Songs ist solide, groovt und hat Potential. Als herbe Mankos sind allerdings die Parts abseits von Strophe und Refrain zu nennen, die ohne Zweifel dringend notwendig sind, um den Songs eine Spur Attraktivität abseits der 0815-Strukturen zu verleihen, dabei aber so inkonsequent und beinahe dilettantisch dahingespielt sind, nur um überhaupt etwas zu haben. Auch die Produktion überzeugt bei aller Liebe zu analoger Retroaffinität nicht. Der Sound ist undefiniert, das Schlagzeug besitzt, u.U. auch der Spielweise geschuldet, kein Durchsetzungsvermögen und die langgezogenen Gesangspassagen in den Refrains besitzen teils grenzwertigen Charakter.

Da, doch ein guter Moment: Bei ‚Beyond The Moon‘ setzt (endlich) einmal ein ausgedehntes Gitarrensolo an, das in heulend langsamer Lethargie schließlich doch tatsächlich in einem general-Speed-up endet, das sauber ausgespielt und sogar durch wabernde Stereoeffekte der Sologitarre unterstützt wird. Ein Moment, auf den man viel zu lange warten musste. Beim nächsten Track ‚Falling Down‘ dann aber wieder das alte Leid: der Ausreißerpart entpuppt sich diesesmal als hauptsächlich bass- und schlagzeugbasierte psychedelische Passage, die aber wieder nur halbherzig ausgespielt wird und in den schnöden Refrain endet. Es fehlt schlicht an Energie und Konsequenz. Einmal die Tracklänge über die drei bis vier Minuten hin zu einer zeitlich zweistelligen Ausreizung der progressiven Tendenzen nutzen, einmal einen musikalischen Gedankengang zu Ende führen und dabei in mehr als eine Richtung gehen, einmal Grandeur zeigen und ‚Evil Lullabies‘ wäre erheblich aufgewertet. Andeutungen davon sind ab und an zu erkennen, wie bei ‚Love‘ der durchaus mit Abwechslungsreichtum zu überzeugen vermag, gegen Ende sogar in einen flotten Jazzrhythmus mündet aber ebenso schnell wieder verebbt. Leider passiert auf weiten Strecken des Albums zu wenig und es bleibt das Bild von den Holländern, die auf 70er/80er Jahre Bluesrock hängen geblieben sind und dies seit Jahrzehnten in einem ewigen Ritardando wiedergeben, wohl darauf bedacht, weder sich selbst noch den Hörer allzugroßen Strapazen oder Überraschungen zu unterziehen.

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