EUROBLAST FESTIVAL – Geknüppelt. Und gerührt!
Sie nennen ihre Musik „Modern Prog Metal“, „Progressive Metalcore“, „Mathcore“ oder „Djent“. Dieser Begriff geht auf die unfreiwilligen Erfinder Meshuggah zurück. Sei es drum, das Kind muss einen Namen haben, und Bands Tesseract, Monuments, Animals as Leaders oder Periphery haben viel Erfolg mit ihrer Musik. Die Fans sind überwiegend männlich, tragen bevorzugt kurze Haare, einen vollen Bart, viele bunte Tattoos und dunkle Ohrplugs.
Das Festival wird vom Euroblast Collective veranstaltet, das sich als Förderer der gesamten Szene sieht und auch wieder selbst einige der gemanagten Bands an die Rheinmetropole eingeladen hat. Das kultige Indoor-Festival findet dieses Jahr vom 05. bis 07. Oktober statt. Das familiäre Festival hat auch dieses Jahr auf zwei Bühnen über 40 Bands der modernen Progressive Rock- und Metal-Szene nach Köln-Deutz in die Szene-Location Essigfabrik gelockt. Neben altbekannten und großen Namen möchten die Veranstalter auch bewusst neueren Bands eine Chance geben, sich zu präsentieren. Das Festival ist insbesondere auch für seine familiäre und trotz der teils brachialen Musik angenehm entspannten Atmosphäre bekannt. Dies hat sich im Lauf der letzten Jahre herumgesprochen, denn die Anreise der Besucher erfolgt auch dieses Jahr wieder im wortwörtlichen Sinne aus der ganzen Welt. Im Hof ist auch 2018 wieder eine Landkarte aufgehängt, wo sich jeder verewigen kann. Hier sieht man schon schnell, dass kein Weg zu weit ist für das Euroblast.
Schon am Donnerstag, dem 04. Oktober gibt es am Abend für die Frühanreiser bereits im Kölner Club Volta eine Warmup-Party mit vier lokalen Bands sowie dem italienischen Prog- / Alternative-Trio Invivo. Whiskey-Soda kann erst am Freitag anreisen, und schon zum offiziellen Einlass haben sich jede Menge Besucher an den Toren der ehemaligen Fabrik versammelt. Das Gelände besteht wie immer aus der Haupthalle, einem Hinterhof mit einigen Merch- und Imbiss/Getränkebuden (im Gegensatz zum Vorjahr verbesserte und vielfältigere Auswahl) und dem Stand einer Gitarrentechnikfirma sowie einer zweiten kleinen Bühne im Keller. Auf dieser Nebenbühne präsentiert das Festival überwiegend interessante Nachwuchsbands, von denen so manche sicher in den nächsten Jahren auch auf einer größeren Stage stehen dürfte.
Direkt am Einlass fällt auf, dass es dieses Jahr gefühlt noch voller als die Vorjahre ist. Kam sonst am Freitag erst gegen Abend der große Run der Besucher, steht jetzt schon am Mittag eine lange Schlange vor dem Gelände und wartet auf Einlass, der leider nur zögerlich über die Bühne geht. Aber sei’s drum, zum Start der ersten Bühne sind dann die meisten der Wartenden zum Glück durch das Tor und freuen sich auf drei spannende Tage. Eröffnet wird der Konzertreigen mit der Band Unprocessed aus Wiesbaden. Die Jungs um den Bandgründer und Gitarristen Manuel Gardner Fernandes stellen ihr Album „Covenant“ vor und bieten von Anfang an technisch hochentwickelten, sehr modern klingenden Prog-Metal mit treibenden, knüppelnden Rhythmen. Weit über 1600 Fans moderner harter Klänge haben sich auf dem Gelände versammelt und empfangen die auftretenden Bands mit lautstarkem Applaus.
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Temples Of Mars aus London eröffnen den Bandreigen auf der zweiten Bühne im Keller. Hier ist nicht sonderlich viel Platz, und aufgrund der zahlreichen Besucher wird es in den „Katakomben“ schon von Beginn an kuschelig eng und heiß. Passend dazu liefern die Briten, die im Frühjahr unter diesem Bandnamen ihr erstes Album veröffentlicht haben, eine energiegeladene Show mit abwechslungsreichen Songs aus dem Alternative-Rock-Bereich mit ein paar Metal- und Hardcore-Einflüssen. Sehr schön!
Immer abwechselnd geht es Schlag auf Schlag weiter, und wer Hunger hat, kann sich zum Beispiel eine „Death Metal Pasta (Fuck Yeah)“ organisieren. Der Hunger auf Musik wird als nächstes von The Dali Thundering Concept und The Five Hundred gesättigt. Erstere liefern eine solide Show ab, ohne wirkliche Akzente zu liefern. Grundsolide und gut, aber alles schon mal ähnlich gesehen und gehört. The Five Hundred lassen den Keller nicht nur mit einer sehr basslastigen Show erzittern, sondern überzeugen auch durch gekonntes Songwriting und einen sehr agilen Frontmann. Ein toller Act und eine Band, die man definitiv im Auge behalten sollte.
Conjurer sind als nächstes dran und spielen zum ersten Mal in Deutschland. Die Briten bestechen durch vorpreschende Grooves, starke Riffs und können auf dem Festival sicher viele neue Fans für sich gewinnen. Masuria punkten mit stark melodischem Deathmetal und Metalcore und sehr schönen Gitarrenlinien. Kadinja aus Paris im direkten Anschluß sind gute alte Bekannte aus dem letzten Jahr und bringen auch dieses Mal die obere Halle wieder zum Schwanken. Die Franzosen haben ihre Show noch weiter verfeinert und verbinden breite und harte Riffs mit melodischen Passagen und klarem Gesang. Sie haben eine große Fanschar im Publikum versammelt und ernten entsprechend lauten Beifall. Es ist immer wieder spannend, die Entwicklung junger Bands über die Jahre hinweg zu verfolgen, und Kadinja haben sich wirklich gemacht und auch im Vergleich zum schon guten Auftritt im letzten Jahr heute noch einen draufgesetzt. Bravo!
Eine weitere, sehr positive Überraschung liefern als nächstes Sümer im Keller: Die Band erinnert mit ihrem groovenden Post-Rock an Long Distance Calling, überzeugt im Gegensatz zu der rein instrumentalen Gruppe jedoch mit starken Vocals und einer spielfreudigen Bassistin. Sümer aus London zeigen, dass es sich immer wieder lohnt, durch den Hof und über die Rampe in den Keller hinab zu pilgern, denn hier findet man manchmal die spannendsten Bands des ganzen Festivals in sehr direkten, persönlichen Gigs. Sümer sind für die Progressive Music Awards nominiert worden und nehmen übrigens derzeit ihren zweiten Longplayer auf, der 2019 erscheinen soll. Man darf sehr gespannt sein.
Vola aus Dänemark sind ebenfalls „alte Euroblast Bekannte“ und nach 2015 und 2016 jetzt zum dritten Mal mit von der Partie. Dabei hat die extrem talentierte Band ihr neues Album „Applause Of A Distant Crowd“, das offiziell erst am 12. Oktober erscheint, aber heute bereits auf dem Festival erhältlich ist und natürlich als CD und auf Vinyl rasenden Absatz findet. Vola finden die perfekte Mischung aus melancholischen Klängen mit Retro-Synthies und aggressiven Gitarren, und Frontmann Asger Mygind hält die miteinander verschmolzenen Genres mit seiner markanten Stimme perfekt zusammen. Die Klangcollagen erinnern an Vorbilder wie Steven Wilson oder Anathema, die lauteren Parts könnten auch einem Devin Townsend gut zu Angesicht stehen. Vola werden ganz bestimmt zum Euroblast zurückkehren, vielleicht auch irgendwann auf einem Headliner-Slot. Verdient hätten sie es allemal.
Nachdem die Australier von I Built The Sky im Keller außergewöhnlichen instrumentalen Heavy Prog Rock mit Post-Rock Einflüssen zelebriert haben, sind auf der Hauptbühne ihre Kollegen aus Down Under an der Reihe: Caligula’s Horse sind aus Brisbane angereist und stehen für progressiven Metal mit Rockeinflüssen. Die 2011 von Sam Vallen und Jim Grey gegründete Band hat vor einem Jahr ihr viertes Album veröffentlicht und stellt daraus auch diverse Titel vor. Wie Vola zeigen auch Caligula’s Horse, dass nicht nur brachiale Deathmetal-Riffs immer gut auf dem Festival ankommen, sondern gerade auch die im Vergleich etwas ruhigeren Bands mit ihren ausgefeilten Klängen, die mehr im traditionellen Rockbereich oder dem Art-Rock beheimatet sind, hier sehr viel Zuspruch finden.
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Vor dem Headliner des ersten Tages geht es noch einmal in den Keller zu Circles, danach gehört die Halle von und ganz Monuments. Die Engländer sind inzwischen zum achten Mal auf dem Euroblast mit dabei und haben sich ihren Headliner-Platz am Freitag mit durchweg hoher Qualität redlich verdient. Die Engländer, die neben Periphery und Tesseract immer noch zur Speerspitze der Djent-Szene gehören, wissen die Energie aus dem Publikum gekonnt zu potenzieren. Gerade am heutigen Tag veröffentlichen sie zudem ihr neues Album „Phronesis“, das natürlich nicht nur am Merch-Stand erhältlich ist, sondern auch live im Gepäck dabei ist. Die Truppe um den charismatischen Wuschelkopf und Frontmann Chris Barretto liefert erwartungsgemäß das volle Brett ab und bringt die Halle zum kochen. Mit einer sympathischen Mischung aus professioneller Haltung, echter Spielfreude und exzellenter musikalischer Klasse lässt das Djent-Quintett eine erstklassige Darbietung seiner Musik auf das Festival-Publikum herab prasseln, das die fünf Engländer begeistert abfeiert. Zwei groovende Gitarren, ein erstklassiger Sänger, der Melodik und Härte spielend leicht kombiniert, machen die Band live zu einem echten Erlebnis und berechtigtem Publikums-Liebling. Die Zahl der Crowdsurfer bei diesem Auftritt kann man nicht mehr erfassen, und immer wieder bilden sich Circle-Pits im Publikum. Mit einem brachialen, krachenden Auftritt bringen Monuments die Essigfabrik zum kochen und sorgen mit technisch ausgefeiltem Geknüppel für einen grandiosen Abschluss des ersten Festivaltages.
Ganz vorbei ist es allerdings auch noch Monuments noch nicht. Im Keller steht nach Mitternacht noch das englische Duo Aiming For Enrike auf der Bühne, das nur mit Schlagzeug und Gitarre (und ein paar Samples als Background-Track) eine außergewöhnliche Performance abliefert. Für die Feierwütigen gibt es noch eine Aftershow-Party, dann heißt es hinaus in die laue Herbstnacht.
Am Samstag geht es mittags bei allerbestem Herbstwetter weiter. Da ist es schon fast schade, dass dies ein Indoor-Festival ist, denn die strahlende Sonne lädt zum Verweilen ein. Ein paar haben es sich dann auch entsprechend auf den im Hinterhof aufgestellten Liegestühlen bequem gemacht und genießen das Wetter und die aus der Halle und dem Keller herauf hämmernden Bässe.
Der Festivaltag wird im Keller eröffnet von Kill Wolfhead, bevor in der großen Halle Ayahuasca sehr spannenden experimentellen Deathmetal spielen dürfen. Die Band ist mit acht Musikern angereist und präsentiert neben dem Drummer zwei (!) weitere Percussionisten, die sich immer wieder wilde Trommelduelle liefern und mit viel Beats, Tribal-Drums und jeder Menge Kling-Klang den Sound der Band extrem dominieren. Dieses eher ungewöhnliche Konzept funktioniert aber sehr gut und hebt die Band damit deutlich von den anderen Auftritten ab. Die Niederländer von Hibakusha mögen ihren Deathmetal dann wieder eher traditionell, erfreuen aber die Fans mit einer energiegeladenen Show und vollem Körpereinsatz.
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Im Keller spielen am Nachmittag Syndemic aus Hamburg mit aggressivem Deathmetal sowie Cabal, die mit ihrem brachialen Auftritt den Keller schon jetzt bis zum Bersten füllen. Valis Ablaze spielen später eine spannende Mischung aus Alternative- und Nu-Metal vor ähnlich vollem Haus, während Terminal Function den Schwerpunkt auf brachiales Geknüppel mit einer äußerst dominierenden Bassdrum legen.
Eine kleine, nein, eher eine große Überraschung gibt es mit dem britischen Act Rolo Tomassi, den vermutlich kaum jemand so wirklich auf dem Schirm hatte. Die Band um Frontfrau Eva Spence liefert einen souveränen Auftritt ab, der in der Menge sehr gut ankommt. Wir persönlich hatten die Band bisher überhaupt nicht auf dem Zettel und waren im besten Sinne überrascht. Eva Spence zeigt beeindruckend, dass auch Frauen Metal screamen können und wirbelt wie ein Derwisch über die Bühne. Langer und lauter Applaus ist ihr verdienter Lohn.
Die ebenfalls englische Band Heart Of A Coward ist mit einem neuen Sänger am Start: Kaan Tasan zeigt von der ersten Sekunde an eine starke Bühnenpräsenz und packt die Euroblastler wahrlich an der Kehle mit einer sehr starken Darbietung. Crippled Black Phoenix aus England bieten psychedelischen Artrock aus England und fallen musikalisch damit ein wenig aus dem Rahmen. Schnell werden Erinnerungen an Pink Floyd wach, als das dynamische Oktett seinen düster angehauchten Grooverock erschallen lässt. Der schwarze Phoenix erhebt sich mit kräftigen Schwingen, auch wenn man das Gefühl hat, dass der Sound hier nicht immer ganz stimmt und insbesondere die Stimme der Sängerin Belinda Kordic im Mix zu dünn herüberkommt.
Unter dem Namen Schiermann tritt als nächstes in den Katakomben unter der Essigfabrik der Gitarrist Chris Schiermann gemeinsam mit seiner Band auf. Der Musiker hat schon für Bands wie Sons Of Apollo das Vorprogramm bestritten und liefert eine erstklassige Demonstration seines Könnens, spart nicht mit lustigen Grimassen für die Fotografen und überzeugt vor allem durch seine hohe Fingerfertigkeit und absolute Instrumentenbeherrschung.
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Danach machen sich Soen aus Schweden auf der Hauptbühne fertig für ihren Auftritt. Die Band um den ehemaligen Opeth- und Amon Amarth Drummer Martin Lopez und Sänger Joel Ekelöf stand vor drei Jahren zuletzt beim Euroblast auf der Bühne. Von vielen wird der Band eine gewisse Ähnlichkeit mit Tool nachgesagt, wobei die klanglichen Kreationen der Schweden vielleicht noch einen Tick ausgefeilter herüber kommen. Psychedelische Keyboard-Parts, elegischer Gesang, aber auch treibende Gitarren, die immer wieder gekonnte Akzente setzen, machen auch diesmal den Auftritt der Band zu einem besonderen Highlight. Die Fans in der dicht gefüllten Halle jubeln frenetisch und singen sogar instrumentale Gitarrenlines lautstark mit. Ein faszinierendes Konzert und eines der vielen Highlights des diesjährigen Festivals. Im Keller stehen direkt danach Copia aus Australien auf der kleinen Bühne, die melodischen Deathmetal in einer kompakten, fesselnden Show kredenzen.
Wie Soen ebenfalls aus Schweden stammen die heutigen Headliner Vildhjarta um Frontmann Daniel Ädel. Die skandinavischen Metaller liefern brachiale Riffs im Meshuggah und Textures-Stil mit klarem, teils auch gutturalem Gesang. Brachiale Gitarrenriffs und knüppelnde Drums sorgen für die passende Untermalung dazu. Begleitet wird der Gig von einer Lightshow mit viel Rauch und sich durch diesen bohrende Scheinwerfer, mit Stroboskopblichtern und auch mal ganz schön viel Dunkelheit. Die Menge kennt spätestens jetzt kein Halten mehr und feiert Songs wie ‚Dagger‘, ‚Shadow‘ oder ‚Mist Förstanded‘ im Zugabenteil frenetisch ab. Dicht gedrängt findet die Masse immer noch den Platz für begeisterte Mosh- und Circlepits und lässt die Skandinavier erst nach viel Applaus von der Bühne. Der Samstag endet auch dieses Jahr wieder mit einer Aftershow-Party und Open-Jam-Session und macht große Lust auf den dritten Euroblast-Tag, zu dem wir nach verdienter Ruhe pünktlich am Sonntag Mittag wieder auf der Matte stehen.
Auch diesmal meint es der Wettergott noch einmal gut mit allen Proggern, so dass es wieder Spaß macht, sich zwischen den Acts draußen zum Plaudern im Innenhof zu treffen, etwas zu essen oder es sich auf den Liegestühlen bequem zu machen. Musikalisch gibt es im Keller die Auftritte von Dhark, Eden Circus und Lake Cisco zu bestaunen. Man erlebt dort drei Bands mit hoher Qualität, wie sie musikalisch kaum weiter voneinander entfernt sein könnten. Und genau diese Vielfalt macht das Euroblast aus!
Auf der Hauptbühne wird der Tag von Time The Valuator eröffnet. Die Band aus Essen tritt unter erschwerten Bedingungen an, hat ihr Frontmann Phil doch vor wenigen Wochen seinen Austritt aus der Band bekanntgegeben. Ein Ersatzmann musste her und wurde glücklicherweise mit Rafael Andronic gefunden, der einen tollen Job macht – nicht nur in Anbetracht der nur kurzen Vorbereitungszeit. Damit kann die Band ihren Auftritt wie geplant absolvieren und neue Fans gewinnen, denn wie gesagt, es läuft gut und kommt super an.
Im Innenhof der Essigfabrik haben sich auch am Sonntag bei bestem Wetter wieder viele Fans versammelt, denn beim Euroblast geht es nicht nur um die Musik, sondern auch um soziale Interaktion. Man diskutiert, trifft alte Freunde wieder und lernt neue, offene Menschen kennen. Zur Verköstigung gibt es diesmal auch einen Stand mit jamaikanischem Essen und den netten jungen Mann, der das ganze Festival über lautstark anpreisend versucht, seine süßen Keksteig „Cookie Dough“ an den Mann oder an die Frau zu bringen. Irgendwie wird das spätestens am dritten Tag schon zum Running-Gag.
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Dhark aus Wien sind wirklich ziemlich düster und bieten doomigen Gitarrensound mit extremer Wucht und poetischen, aber auch brutalen Sprechgesang der beiden Frontmänner. Eden Circus hingegen kommen wunderbar post-rockig und wesentlich softer herüber, setzen gekonnte Alternativ-Rock-Akzente und zwingen das Publikum mit ihrem gelungenen Auftritt zum aufmerksamen Zuhören. Ähnlich, aber doch anders, sind schließlich Lake Cisco, die sehr sympathischen und leicht nerdigen Alternative Rock spielen, der von zwei Frontmännern mit abwechselndem oder gemeinsamen Gesang dominiert wird und entspannt-relaxt wirkt. Drei außergewöhnliche Bands zeigen auch am letzten Tag wieder, wie spannend und abwechslungsreich es im Keller der Essigfabrik zugehen kann.
Oben in der Haupthalle geht es brachial und laut zu. Letters From The Colony aus Schweden wurden bereits 2010 gegründet, haben aber einen langen und steinigen Weg hinter sich und konnten endlich Anfang dieses Jahres ihr Debütalbum „Vignette“ veröffentlichen. Das Quintett um Frontmann Alexander Backlund überzeugt durch aggressive Riffs und ausgefeiltes Songwriting und sorgt bei der Menge schon am frühen Nachmittag für gute Laune und viel Applaus. Als nächstes wird es dann italienisch. Adimiron aus Rom präsentieren bei ihrem Euroblast-Debüt progressiven, aber auch sehr melodischen Death- und Thrashmetal, der wie eine Mischung aus Gojira und Opeth klingt. Neben dem Frontmann Sami El Kadi tut sich hierbei insbesondere die Bassistin Cecilia Nappo in ihrem Amazonen-Outfit hervor. Immer wieder drängt sich der Slap-Bass nach vorne und setzt spannende Akzente zu den interessanten Gitarrenparts. Ein solider Auftritt, der aber nicht ganz so mitreissend herüberkommt wie zuvor die Show der Schweden.
Theia ist ebenfalls eine italienische Band, die vom Euroblast Collective gemanagt wird und deren Debütalbum „Yügen“ wir euch vor kurzer Zeit auf unserer Seite vorgestellt haben. Die Jungs liefern im Keller eine schweißtreibende Performance ab, als brachiale Riffs und Screams auf rhythmisch anspruchsvolle Drumparts treffen. Zwischendurch gibt es ein paar sehr fein ausgearbeitete Gitarrensoli, und die Performance stimmt von vorne bis hinten. Man sollte sich Theia auf jeden Fall merken, wir sind uns sicher, sie nicht zum letzten Mal auf dem Euroblast gesehen und gehört zu haben.
Vorher gibt es oben noch einen tollen Auftritt von Organized Chaos. Die Band aus dem serbischen Belgrad wurde 2011 gegründet, hat bisher 2 Alben veröffentlicht und sorgt für mächtig Abwechslung mit modernem und streckenweise recht experimentellem Prog-Metal. Frontmann Vladimir Lalic überzeugt mit einer tollen Stimme, hohem Tonumfang, und auch seine Kollegen liefern anspruchsvolle, verschachtelte und komplexe Musik ab. Die Band stellt das aktuelle Album „Divulgence“ vor, eine äußerst spannende Reise. Für uns zählt der Auftritt dieser Band zu den Highlights des heutigen Tages. Mit Humanity’s Last Breath wird es dann laut, brachial und extrem brutal. Was die vier Schweden im Stroboskoplichtgewitter abliefern, kommt im Prinzip dem totalen Abriss der Essigfabrik gleich. Knüppelnder, treibender Death Metal ohne jede Gnade oder Verschnaufpause. Sicher der härteste Auftritt des ganzen Festivals und für die Fans der brachialsten Klänge ein lohnender Gig.
Im Keller geht es weiter mit Heptaedium aus Paris, die heute nach eigener Aussage ihre allererste Show überhaupt spielen. Sie nennen ihre Musik „Baguettecore“ und treten ohne Schlagzeug (nur mit Drum-Samples aus dem Computer) an. Extrem tiefe Samplebeats unterstützen Gitarre und Bass bei ihrer Arbeit und sorgen für ein wohliges Vibrieren der Kellerwände. Um kurz vor 21 Uhr findet sich dann wie gewohnt das gesamte Festivalteam versammelt auf der Bühne ein, um sich für ein weiteres gelungenes Event zu bedanken und den wohlverdienten Applaus des Publikums zu genießen. Alte Euroblast-Bekannte sind danach Destiny Potato aus Belgrad in Serbien, die sich jetzt Sordid Pink nennen. Die Truppe um die ausgezeichnete Sängerin Alexandra Djelmash sind zum fünften Mal mit dabei und überzeugen auch unter dem neuen Namen mit einer wilden, teils experimentellen Mischung aus Rock, Pop (!) und Metal. Sängerin Djelmash kann nicht nur sanft, sondern auch immer wieder Vollgas geben wie ihre männlichen Kollegen am Mikrofon. Immer wieder brechen plötzlich die Metal-Parts durch und sorgen für spannende Abwechslung.
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Ein letzter Abstieg in den Katakombenkeller lohnt sich auf jeden Fall, als um 22 Uhr dort White Walls aus Rumänien die Bühne entern und ihre äußerst groovende Musik präsentieren, die von Bands wie Textures, Between The Buried And Me, Tool und Karnivool inspiriert wurde. Sehr gut! Letzter Headliner für 2018 sind Long Distance Calling aus Münster. Die Band hat seinerzeit als reine Instrumentalband angefangen und erfolgreich die düster-progressiven Fahrwasser des Post-Rocks mit einigen Metal-Einflüssen ausgelotet. Richtig erfolgreich mit Platzierungen in den Charts wurde es dann aber mit den Alben „The Flood Inside“ und „Trips“, als in großem Stil Gesangsparts dazu kamen. Inzwischen sind die Münsteraner jedoch wieder zu ihren Wurzeln zurückgekehrt und präsentieren sich erneut als Instrumentalband. Mit ihrem kernig-erdigen Post-Rock schlagen sie in eine ähnliche Kerbe wie Crippled Black Phoenix am Vortag und überzeugen durch knackige Riffs mit deutlichen Prog-Tendenzen, ausgefeilten Basslinien und dem über allem schwebenden dröhnenden Gitarrensound. Long Distance Calling promoten aktuell ihr neues Album „Boundless“, von dem es die Tracks ‚Ascending‘, ‚In The Clouds‘ und ‚Skydivers‘ zu hören gibt. Die Musik des Münsteraner Quartetts groovt sich angenehm wabernd durch die Halle, und die Band zeigt sich in freudiger Spiellaune und setzt damit einen markanten Schlusspunkt unter das diesjährigen Festival. Leider ist die Halle schon merklich leerer als noch am Nachmittag, aber das ist aufgrund der teils langen Abreisewege der Besucher durchaus erklärbar. Long Distance Calling beenden ihr Set um kurz vor Mitternacht mit der alten Nummer ‚The Metulsky Curse‘.
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Nach diesem Finale steigt für alle, die immer noch nicht müde sind, im Keller eine weitere Aftershow-Party. Mit dabei unter anderem Rémi Gallego, einem Stammgast des Festivals und Gitarrist und Keyboarder des französischen Kult-Duos The Algorithm. Damit schließt die Essigfabrik wieder einmal ihre Pforten, aber schon jetzt darf man sich auf den Herbst 2019 freuen, wenn es wieder laut und progressiv zugehen wird am Rheinufer. Es bleibt auch im Jahre 2018 wieder festzustellen, dass das Euroblast Festival zu den besten und vor allen Dingen familiärsten Veranstaltungen seiner Art gehört. Durch die ganz spezielle Atmosphäre und Herzlichkeit aller Beteiligten ist das Hallenfestival in den letzten Jahren das absolute Highlight für auftretende Künstler, die ausstellenden Gitarrenhersteller, für Vertreter des Music-Business, für Presse und natürlich insbesondere für die Fans geworden. Als Besucher fühlt man sich hier einfach sehr gut aufgehoben und rundum versorgt. Daher an dieser Stelle auch wieder wie jedes Jahr ein spezielles Dankeschön an alle Helfer/innen vor und hinter den Kulissen und die ganze „Euroblast Family“. Gerade auch wir Presseleute und Fotografen wurden wieder einmal hervorragend betreut, was nicht auf alle Festivals so selbstverständlich ist. Nach so viel Geknüppel sind wir dennoch gerührt, wie herzlich es hier zugeht und wie nett wir persönlich noch vom Veranstalter verabschiedet werden.
Wer sich nur ansatzweise für Progressiven Metal und die verwandten Musikrichtungen interessiert, sollte sich schon jetzt einmal das Euroblast Festival 2019 in seinem Kalender vormerken.
Unsere Fotostrecke mit Bildern von allen Bands findet Ihr auch auf unserer Facebook-Seite.
Bericht und Fotos: Michael Buch