SUMMER BREEZE 2018 (2) – Von Staub, Büffeln und Brückenbauern
Spätestens am Freitag hatte das Festival richtig Fahrt aufgenommen und bereits früh strömten zehntausende von teils weit entfernten Zeltplätzen auf das eigentliche Festivalgelände. Da waren beispielsweise Gyze aus Japan, die mit ihrem Melodic-Death-Metal auf der Camel-Stage keine Langeweile aufkommen ließen. Das agile Trio aus Ostasien hatten den Exoten-Bonus nicht nur wegen ihrer Herkunft, sondern auch ein wenig wegen ihrem Look auf ihrer Seite. Aus dem Land des Emo-Looks erinnerte Frontmann Ryoji Shinomoto mit seinen langen, rot gefärbten Haaren und dem edlen Zwirn doch sehr an einen Schwertkänmpfer aus einem Fantasy-Anime. Natürlich mit einer E-Gitarren-Axt anstatt einer klassischen Klinge. Doch die Posen, Grooves und Moves kamen daher, wie man es von einer Heavy Metal Band erwartet. Einmal mehr der Beweis, daß Schwermetall eine universelle Sprache ist. Und so danah wurden die Riffs und schwarzen Screams ordentlich abgefeiert und durch die lebhafte Interaktion zwischen Band und Publikum ordentlich verstärkt.
Auf der Mainstage war kurz darauf der kanadische Alternative-Rock-Punk Danko Jones mit seiner Band am Start. Im Sonnenschein des frühen Nachmittags waren die launigen Songs genau die richtige musikalische Untermalung. Mit einem Bierchen auf einem der raren Schattenplätzchen machten es sich die Spätaufsteher bequem, während vor der Bühne die eher Aktiven Besucher von Jones und seinen Jungs motiviert für Bewegung. Bei den fränkischen Blödel-Rockern in Pink, J.B.O. stieg die gute Laune nochmals deutlich an. Metallische Cover von bekannten Hits aus allen Genres funktionieren eben mit deutschen Satire-Texten besonders gut – im Publikum wurde Song um Song mitgegröhlt. Auch wenn man sich über den teils doch recht pubertär anmutenden Humor sicher streiten kann, echt sind die Jungs und der Erfolg beim Publikum gab Ihnen recht.
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Die deutsche Metal-Königin Doro hatte dagegen Pech. Das Wetter hatte sich am Freitagabend dann das erste Mal deutlich verschlechtert, als ein Sommergewitter endlich für Abkühlung sorgte. Durch die extreme Trockenheit der vorhergegangenen Wochen war es auf dem ganzen Festivalgelände extrem staubig gewesen. Manch eine Circle-Pit der vergangenen Tage konnte aus der Ferne nur als riesige Staubwolke wahrgenommen werden und nicht wenige Metalheads hatten sich wie Cowboys auf Prärie-Büffeljagd schützende Halstücher vor Mund und Nase gebunden. Die Abkühlung war daher letztlich eine willkommene Erleichterung, auch wenn Doro bestimmt die Hälfte ihres Publikums an diesem Abend durch den Wolkenbruch einbüßte. Aber die Blondine ist Profi genug, um sich davon nicht die Laune verderben zu lassen – so kamen eben weniger Fans in den Genuss der ersten Songs des neuen Doppel-Albums, das inzwischen übrigens auf dem ersten Platz der deutschen Albumcharts gelandet ist.
Am Abend sollten dann Trivium als Headliner für ein weiteres Festival-Highlight sorgen. Nicht umsonst werden die Amerikaner aus Florida von Kennern der Szene als eine jener Bands geehrt, die das Zeug haben, in die legitimen Fußstapfen der ganz Großen, die in den nächsten Jahren von den Bühnen abtreten werden, zu treten. Manche behaupten, Legenden wie AC/DC, Iron Maiden, Judas Priest und Black Sabbath werden als prägende Musiker einer ganzen Subkultur und von drei Generationen immer unerreicht bleiben. Dennoch bleibt die Frage: Wer werden die Headliner in 15 Jahren sein? Und hier werden Trivium immer wieder genannt. Bei ihrem Breeze-Auftritt gaben sie in dieser Hinsicht jedenfalls eine beeindruckende Visitenkarte ab. Toller Sound, gute Laune, grelle Gitarren, Licht, Freude und Begeisterung, die auch noch an der am anderen Ende des Geländes deutlich zu hören war. Wow.
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An der Camel-Stage war dann gegen 22 Uhr eines der drei persönlichen Festivalhighlights des Autors dieser Zeilen zu bewundern. Alien Weaponry aus Neuseeland müssen zweifellos als ein großartiges Metal-Phänomen bezeichnet werden, und das aus mehreren Gründen. Gegründet 2010 in einem kleinen Kaff im Norden Neuseelands von den damals Acht- (Sänger und Gitarrist Lewis) bzw. Zehnjährigen (Drummer Henry) Brüdern de Jong. Komplettiert wurde das Trio von Bassist Ethan. Heute sind die drei Jungs also seit 8 Jahren aktiv und alle drei unter 18 Jahren! Und dafür bringen sie Charisma, Bühnenpräsenz, Energie, Sympathie, Erfahrung, Professionalität und mit ihrem gesellschafts- und politikkritischen Maori-Thrash auch kulturelle Relevanz auf die Bühne, wie sie wohl manche Bands in ihrer Karriere nie erreichen. In ihrer Heimat wurden sie dafür mit Nachwuchs-Preisen, Newcomer-Ehrungen in der englischsprachigen Presse, Fernsehen und nationalen Charts-Ehren bedacht. Nun hat das Trio bei Napalm Records ihr Debüt „Tü“ veröffentlicht – als jüngste jemals vom Label unter Vertrag genommene Band. Und die Mucke der Jungs knallt wie die Sau! Die echte Begeistung der Jungs, kombiniert mit der Echtheit, der Power und gleichzeitig professionellen Präsenz war wirktlich ganz großes Kino, dieser Band ist der große Durchbruch wirklich zu wünschen.
Arch Enemy sind immer eine Bank. Obwohl es wohl keinen aktiven Besucher von Metalfestivals geben dürfte, der die schwedisch-kanadische Kombo um die attraktive und stimmgewaltige Frontfrau Alissa White-Gluz noch nie gesehen hat, ist es einfach immer wieder gut, den Power-Melodic-Death live zu erleben. Egal ob derbe Growls, tolle Riffs, Soli und Melodien – Arch Enemy sind immer ganz vorne dabei.
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Satyricon waren für das Whiskey-Soda-Festival-Team der Abschluß des vorletzten Festivaltags. Im letzten Herbst hatten wir von den Norwegern aus dem Berliner SO36 berichtet, nun standen die skandinavischen Black-Metal-Urgesteine um Sänger Satyr (Sigurd Wongraven) und Drummer Frost (Kjetil-Vidar Haraldstad) auf der Mainstage des Summer Breeze. Seit über 25 Jahren aktiv, wurde den Black-Metal-Veteranen von Hardcore-Schwarzmetallern nach den ersten Alben immer wieder die Anbiederung an den kommerziellen Mainstream vorgeworfen. Tatsächlich präsentierten die Herren eine Spielart des Black Metal, die um Elemente aus Rock, Postrock und klassischem Heavy-Metal erweitert tatsächlich weit von den Genre-Ursprüngen entfernt ist. Nur: Der knarrende Gesang von Satyr ist schwarzmetallisch hoch drei und Frost Schlagzeug-Künste muss man schlicht als puren Wahnsinn bezeichnen. Warum also nicht eine Band abfeiern, die sich nicht in Klischees einbinden lässt?
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Am Samstag, dem bereits letzten Festivaltag, kamen dann alle Freunde von dreckigem Rock’n’Roll voll auf ihre Kosten. Der ehemalige Wegbegleiter der verstorbenen Rockmusik-Legende Lemmy, Phil Campbell, rotzte mit seinen Bastardsöhnen über die Main Stage, dass es nur so eine Freude war. Die Hälfte der Songs Eigenkompositionen, die andere Hälfte Motörhead-Cover, da kann man nichts verkehrt machen. Nur kurz darauf traten am anderen Ende des Geländes Orange Goblin aus London auf. Der simpel- melodische Hardrock mit Stoner Einschlag lief ganz entspannt aber stilistisch durchaus mit Bands wie Kadavar und anderen Retroisten vergleichbar, die übrigens am Abend ebenfalls noch das Summerbreeze beehrten.
Auf der Camel Stage dagegen ging es bereits früh am Nachmittag deutlich härter zu. Arcanius aus Rostock servierten ihren Slam Death Metal stilecht mit den denkbar tiefsten Growls und Breakdowns. Wie immer mit der Gefahr, nach dem dritten Song etwas monoton gleichbleibend daher zu kommen. Dem eher überschaubaren Publikum jedoch gefiel’s und Gefangene machten die Mecklenburger ebenfalls keine. Auf der Mainstage gab’s ab dem frühen Abend wieder grosse Namen zu erleben und zu hören: Udo Dirkschneider präsentierte unter seinem Namen Klassiker von Accept, DEN deutschen Metal-Pionieren. Der Altmeister wurde ehrerbietig abgefeiert, kein Wunder, bei den gespielten Klassikern, die einer ganzen Generation Metalheads noch heute nostalgisches Kribbeln bescheren. ‚Princess of the Dawn‘, ‚Restless and Wild‘, ‚Fast as a Shark‘ und natürlich ‚Balls to the Walls‘ sorgten für lautes Johlen. Papa Roach hatten zu Beginn der 2000er-Jahre mit „Infest“ und dem Mega-Hit ‚Last Resort‘ Multi-Platin-Rockmusik-Geschichte geschrieben – von diesem Erfolg zehren die Kalifornier noch heute. Der Andrang war entsprechend gross, doch auch wenn die Herren um Frontmann Jacoby Shaddyx genut Live-Erfahrung haben, um zu überzeugen blieb der Auftritt gemessen an anderen Metal-Kalibern des Summer Breeze relativ fad.
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Ein ganz ähnliches Schicksal teilte der Auftritt von Blackie Lawless W.A.S.P., der sich in den späten Achzigern mit King Diamond, Ozzy und Alice Cooper die werbeträchtige Rolle des bösen Metal-Schockers teilte. Inzwischen hat der Altmeister sich zum wiedergeborenen Christen gemausert (2015er Album „Golgatha“). Nach Papa Roach hatte sich die Menge vor der Mainstage schon deutlich verkleinert, was sich im Laufe des Auftritts weiter fortsetzte. Dennoch hielten es etliche bereits ergraute oder kahle Metalheads bis zum Ende des einzigen Deutschland-Auftritts der Band aus, wo Lawless und seine Band mit den bekanntesten Songs als Zugabe versöhnten.
Deutlich aufregender, ja geradezu magisch ging es versetzt dazu auf der Camel-Stage mit den Israelis Orphaned Land ab. Wenn es eine Band gibt, die für Völkerverständigung im Metal steht, dann sind es der Fünfer aus Tel Aviv. Seit ihrem Bestehen wollen die Mannen um Frontmann Kobi Fahri mit ihrem Oriental-Metal Brücken zwischen Nationen und Religionen bauen. Ihr 2013er-Album „All Is One“ verkörpert das besonders – und natürlich ist der gleichnamige Song inzwischen fester Bestandteil der Auftritte. Auf dem Summer Breeze schafften es die sechs Jungs einmal mehr, absolute Begeisterung auszulösen – natürlich nicht nur mit ihrer Message! Die Energie der Begeisterung war grossartig vor der Camel-Stage und Orphaned Land dürfen zu Recht für sich proklamieren, einen der besten Auftritte des diesjährigen Festivals hingelegt zu haben.
Im punkto Energie legte die nächste Gruppe sogar noch einen Gang zu, geradezu unbändige Power floss bei den Ukrainern Jinjer. Nicht zuletzt wegen deren Frontfrau Tatiana Shmailyuk und ihrer Wahnsinns-Stimme, die gleichermassen explosiv wie attraktiv über die Bühne wirbelte. Die Osteuropäer spielen progressiven Metalcore mit groovigem Death-Metal-Einschlag, technisch anspruchsvoll und destruktiv wie eine Atombombe. Shmailyuk lässt mit ihrem bestialischen Organ 98% ihrer männlichen Sängerkollegen alt aussehen und auch wenn die Band im kommenden Jahr bereits ihren zehnten Geburtstag seit ihrer Gründung feiert, dürfte das kommende Album der Band nochmals weitere Bekanntheit und gerne auch Erfolg bescheren.
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Ausklingen liess die Whiskey-Soda-Abordnung ein gelungenes Sommerfestival mit den zauberhaft melancholisch-ausufernden Klängen von Islands Sólstafir. Mit ihren sphärischen Post-Metal-Songs, von denen ein einziger Live auch mal eine knappe Viertelstunde dauern kann und ihrer fremdartigen, nordischen Sprache sorgt das extrem eigenständige Quartett immer für wohliges Gänsehaut-Schauern. Und das nicht nur, weil sich Frontmann Adalbjörn Tryggvason einmal mehr zum Abschluss des Auftritts balancierend auf dem Absperrgitter vor der Bühne besonders publikumsnah gab. Mit seiner charismatischen Ansprache zu psychischen Erkrankungen und dem schmerztriefenden 12-Minüter ‚Godess of the Ages‘ setzt er einen denkwürdigen Schlusspunkt eines rundum gelungenen, friedlichen Festivals.
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Das Summer Breeze 2018 war aus der Perspektive des Neulings ein echter Erfolg. Vor allem logistisch kann man kaum einen Kritikpunkt benennen, vor allem für die Grösse des Festivals. Friedlich ging es zu, geordnet, freundlich und entspannt. Vom Sound her gab es von einigen wenigen Aussetzern keine Kritik, im Gegenteil durfte man an nicht wenigen Auftritten exzellenten Sound geniessen. Dafür dass in diesem Jahr keine absoluten Megastars nach Dinkelsbühl gekommen waren, war die Begeisterung der Fangemeinde an allen Ecken und Enden und über die gesamten vier Tage jederzeit spüren. Wer das grösste Metalfestivals in Deutschlands Süden noch nie besucht hat, hat bisher definitiv etwas verpasst, was es im kommenden Jahr nachzuholen gilt.
Text: Daniel Frick
Fotos: Christian Appl