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Elements of Rock 2016 – Extremer Sound, extreme Message

am_pm_2.jpg „Die Ausgabe 2016 war trotz des traditionell vielseitigen Line-Ups besonders Extrem-Metal-lastig. Für den Festivalauftakt am frühen Freitagabend sorgten AM:PM aus Vevey in der französischen Schweiz. Und was für einen Auftakt! Die junge Truppe agierte mit ihrer sehr appetitlichen Mischung aus melodischem Deathmetal und Deathcore locker und unverkrampft – und mit jeder Menge Power. Auf ihrer Facebook-Seite gibt die Band als musikalische Vorbilder All Shall Perish, Parkways Drive und Amon Amarth an. Das trifft es eigentlich ganz gut – zumal die beiden erstgenannten Gruppen zu den allerbesten ihres Genres gehören. AM:PM machten ihren Vorbildern alle Ehre – der frankophone Fünfer verplemperte keine Zeit mit einem gemütlichen Einstieg sondern drückte gleich voll aufs Gaspedal! Neben heftigem, rhythmischen Mitwippen entlockte Sänger Nicholas dem ein oder anderen Besucher ein Schmunzeln, als er sich für seine etwas schwache Stimme infolge einer Erkältung entschuldigte – und dann losröhrte, daß es eine wahre Freude war. Auch der Rest der Band beherrschte das Genrehandwerk zweifellos – Fans dürfen sich auf das in Produktion befindliche Debütalbum der Band aus der Westschweiz freuen.

hilastherion_3.jpg „Hilastherion aus Finnland waren sichtlich dankbar und erfreut über die Möglichkeit des ersten Auftritts außerhalb ihrer Heimat. Der melodische Death-Metal mit Keyboard und zwei Gitarren gefiel, hatte aber mit Soundproblemen zu kämpfen. Die Gitarren und das Keyboard waren recht stark von Bass und Schlagzeug überlagert. Umso bedauerlicher, weil die Gitarren und das Keyboard viel zu bieten hatten. Sänger William hatte mit seinem Bart, Glatze und muskulösem Körper etwas von einem finnischen Phil Anselmo und machte seinen Job ordentlich. Obwohl bisher noch nie im Ausland aufgetreten, haben die Finnen bereits zwei Alben aufgenommen. Die Erfahrung merkte man dem Auftritt an. Was klar herausstach war der Gesang. Der wechselte zwischen Growls, Screams und Klargesang und gab der Musik der Nordmänner eine besondere Note.

opus_irae.jpg „Opus Irae aus Heilbronn waren mit ihrem „Dark Melodic Black Metal“ bereits 2012 zu Gast beim Elements of Rock. Anfang des Jahres hat die Band die Single „The Burden of Man“ über das schwedische Label Endtime Productions veröffentlicht. Vorausgesetzt, man kann mit Black Metal (Gesang) etwas anfangen, ist die Band top. Songwriting, Atmosphäre (vor allem in Kombination mit der weiblichen Sängerin), Bühnenshow mit Nebel, Licht und Aufstellern, Bühnenpräsenz und technische Fertigkeiten der geschminkten Musiker – da gab es nichts zu mäkeln, alles wirkte aus einem Guss und professionell inszeniert. Die Drums und Riffs mit Hochgeschwindigkeit sowie der schrill-böse Gesang von Frontmann „Dorn“ waren genretypisch richtig brutal, wurden aber immer wieder stimmungsvoll von ruhigen Keyboard- und Gesangspassagen der blonden Sängerin „Stern“ akzentuiert. Langeweile kam da beileibe keine auf, weder für Augen noch Ohren. Nach einer knappen Stunde waren die Schwaben am Ende ihres Sets und ernteten verdienten Applaus und begeistertes Johlen.

Mit Leviticus war es dem Veranstalterteam in diesem Jahr nach Bands wie Barren Cross, Whitecross oder Sacred Warrior erneut gelungen, eine Legende der christlichen Rockmusik nach Uster zu holen. Von Anfang bis Mitte der 80er zählten die Schweden neben Stryper, Bloodgood, Petra und den bereits erwähnten Namen zu den bekanntesten und erfolgreichsten Bands der christlichen Rockmusik-Szene. Zum 35jährigen Bandjubiläum brachten die Skandinavier das nagelneue Box-Set „35 Years Anniversary In His Service“ mit, das die vier Studioalben sowie ein Live-Album von 2003 enthält. Seit der Reunion-Show in jenem Jahr treten Leviticus nur noch selten auf – eine echte Gelegenheit also für Fans der ersten Stunde, die Rock-Dinosaurier noch einmal Live zu erleben. Auch wenn Glatzkopf Peo Petterson selbstironisch das Alter der Band an der Länge seiner Haare festmachte, hatten die fünf Herren um Gitarrist und Bandleader Björn Stigsson sichtlichen Spass, die Bühne zu rocken.

leviticus.jpg „Zumal auch vor der Bühne eher Herren Ü-40 die Party des Tages feierten. Petterson gab den gutgelaunten Rock-Daddy und zeigte mit viel Bewegung und Enthusiasmus, dass bei der Band schon immer neben Grooves und Beats die Message wichtig war. So kommentierte er immer wieder die Songs. Vom klassisch-metallischen ‚Flames of Fire‘ über das gospelige ‚Saved‘ bis zu den Band-Klassikern ‚The Suffering Servant‘ oder ‚Messiah‘ war in 90 Minuten vor und auf der Bühne jede Menge los. Egal ob an Gitarre, Bass, Keyboard oder Schlagzeug – die Schweden überzeugten auf der ganzen Linie wie erwartet und waren somit auch für Nicht-Kenner die beste Band des Tages. Den Auftritt von Triuwint aus Nürnberg mit ihrem deutschsprachigen Black Metal konnten wir leider nicht mehr verfolgen und haben dementsprechend nichts zu berichten. Für das Whiskey-Soda-Team ging damit der Tag mit dem locker-rockigen Auftritt von Leviticus kurz nach Mitternacht zu Ende. Der zweite Festivaltag begann am späten Samstagnachmittag mit dem Abschiedskonzert der Schweizer Alternative-Rocker Milestone. Die gut gelaunte Truppe aus Thun gab bei ihrem allerletzten Konzert nochmal Gas und wusste durch ihren energiegeladenen Sound, der vor allem beim Gesang immer wieder an die großen Grunge-Bands der 90er erinnerte, zu überzeugen. Die Halle war zu dieser Uhrzeit noch relativ spärlich besucht, was die Anwesenden (die Band eingeschlossen) nicht daran hinderte, um den sinnbildlichen Meilenstein auf der Bühne herumzurocken und so die Raumtemperatur schon einmal für die folgenden Musiker anzuheizen.
inside_mankind_3.jpg „Mit Inside Mankind aus der Toskana stand danach wohl die spannendste Band des Festivals auf der Bühne. Komplexen Progressive-Metal spielt die Band um Sängerin Claire Briant, die mit ihrer Power und unglaublichen Opernstimme zunächst für Stirnrunzeln sorgte. Der sehr eigentümliche Gesang in Kombination mit Metal fällt so sehr aus dem Rahmen des Üblichen, daß es etwas Eingewöhnungszeit im Publikum brauchte. Es gibt und gab etliche, teils sehr erfolgreiche Metalbands mit klassisch ausgebildeten Sängerinnen, Nightwish oder Theatre of Tragedy sind nur bekannte zwei Namen. Doch in punkto „echtem Opern-Feeling“ sind die Italiener eine Klasse für sich und genau deshalb so interessant. Eigentliche Überzeugungsarbeit mußte die Gruppe nicht leisten, denn die musikalischen Qualitäten nicht nur beim Gesang sprachen für sich. Der Bassist zappelte stilsicher an seinem Sechssaiter herum, das Keyboard im Hintergrund der Bühne steuerte einen proggig-symphonischen Touch bei und Gitarrist und Hauptsongschreiber Francesco liess bisweilen ein paar derbe Growls einfliessen. Die füllige junge Dame am Mikrophon hatte das Publikum mit einer frischen Mischung aus sympathischem Auftreten, metallischen Gesten und Posen und ihrem voluminösen Organ fest im Griff. Gegen Ende des Auftritts mehrten sich nach anfänglicher Skepsis und Zurückhaltung auch die anerkennenden Windmills und die Truppe ging mit Applaus von der Bühne.

Ancient Prophecy aus dem hessischen Wetzlar haben nach einem Demo 1999 erst im letzten Jahr ihr spätes Debüt-Album „Pounded By Our Sins“ veröffentlicht. Dieses Jahr feierte man das zwanzigste Bandjubiläum, die Erfahrung der Jahre merkte man der Band, die ihren Metal-Stil in Anlehnung an die Texte treffsicher als „Prophecy Metal“ bezeichnet, absolut an. Jedes Riff und jeder Beat sass und die Vocals der 2012 hinzugekommenen Sängerin Jaqueline Kunz wurden von gelegentlichen Growls von den Herren in der Band unterstützt. Kunz sprach klar und offen über den Glauben und die Texte der Band und kam dabei wie die ganze Band sympathisch rüber – der fehlende letzte Biss erklärte sich durch den kurzfristigen Ausfall des zweiten Gitarristen. Daran gemessen präsentierten die Hessen ihre White-Metal-Songs wunderbar. Ursprünglich wären auf dem nächsten Slot die schwedischen Black-Metaller von Crimson Moonlight geplant gewesen, die ihren Auftritt wegen eines Krankenhausaufenthaltes ihres Drummers leider absagen mussten. Umso bedauerlicher, weil die Truppe um Bandleader Simon „Pilgrim“ Rosen erst kurz zuvor ihr lange erwartetes neues Album veröffentlicht hatten.

sacrificium_6.jpg „Kurzfristig waren als alte Bekannte des Festivals Sacrificium aus Stuttgart eingesprungen. Die Band um Frontmann Claudio Enzler machte ordentlich Stimmung, was wohl nicht zuletzt daran gelegen haben dürfte, daß die Death-Metaller in der Vergangenheit ein Garant für schweißtreibende Action vor der Bühne gewesen war. So was bleibt der treuen Anhängerschaft des EoR in guter Erinnerung. Und so war es mit Songs vom aktuellen Album „Prey For Your Gods“ nicht anders als in den Jahren zuvor, genauer gesagt: Der Stadthofsaal war bestens gefüllt, Enzler hatte offensichtlich großen Spaß bei der lebendigen Interaktion mit dem Publikum und lachte und redete viel. Aber natürlich wurde auch auf beiden Seiten freudig und energiegeladen zu den scharfen Riffs und mächtigen Growls von Sacrificium gebangt, so daß die Schwaben bis dahin mit großem Abstand die rundeste und energiegeladenste Performance des zweiten Festivaltages ablieferten.

Nach der Umbaupause konnte man deutlich das veränderte Publikum erkennen. Das Elements of Rock steht seit jeher für eine sehr breite stilistische Ausrichtung – und so waren bei den Hardrockern Polution aus der Schweiz eher in Würde ergraute Rocker jenseits der 50 zu beobachten, während sich die jüngeren Death-Metal-Anhänger vom anstrengenden Training zu den Klängen von Sacrificium vor der Halle bei einem kühlen Bier erholten. Das hinderte das Quintett aus der Innerschweiz jedoch in keinster Weise, voller Enthusiasmus und sympathischer Bodenständigkeit dem Publikum ihren geradlinigen, schnörkellosen Hardrock mit Power in die Gehörgänge zu feuern. Die Erfahrung von zwei Studioalben und jeder Menge Auftritte auch im mitteleuropäischen Ausland spürte man der Bühnenpräsenz der Schweizer an, entsprechend wurde vor der Bühne getanzt und gefeiert.

jacobs_dream_2.jpg „Jacob’s Dream zogen nochmals ein paar Leute zusätzlich an. Der Auftritt der einzigen US-Band bei der diesjährigen Ausgabe des Festivals stand im Zeichen einer stilistischen Ausrichtung, auf die sich viele Besucher einigen konnten. Mit ihrem progressiven Powermetal konnte der Headliner des Samstags aus dem Bundesstaat Ohio auch tatsächlich absolut punkten. Kein Wunder, die Herren hatten in den frühen 2000ern einen Plattenvertrag beim US-Label-Riesen Metalblade und besuchten mit ihrem selbstbetitelten Debüt unter anderem das Wacken und Bang Your Head Festival. Inzwischen ist es deutlich ruhiger geworden um das klassisch besetzte Metal-Quintett. Der langjährige Sänger Chaz Bond wurde 2013 durch Kevin Wright ersetzt, das selbstproduzierte kommende Album „Where Vultures Gather“ zieht sich hin und Live-Auftritte sind ebenfalls selten geworden. Die Herren nahmen die Herausforderung allerdings an und hatten im Vorfeld fleißig geprobt. Die hohen Erwartungen konnte die Band nicht gänzlich erfüllen, auch wenn es objektiv wenig auszusetzen gab. Das Festival wurde in jüngerer Vergangenheit zeitlich etwas straffer geführt, was keine Zugaben ermöglichte. Als letzte Band des Festivals stand nochmal ein echter Hochkaräter auf dem Programm.

grave_declaration_2.jpg „Grave Declaration aus Norwegen stammen aus dem Umfeld der Genre-Pioniere Antestor und sehen sich wie diese in der Musikszene als Ganzes mit dem Spannungsfeld konfrontiert, eine christliche Botschaft mit Black Metal zu verknüpfen. Grave Declaration ist die Band von Antestor-Bassist Thor Georg Buer und Sänger Ronny Hansen mit seinen beeindruckend langen Haaren. Der schwarze Metal der Band ist weniger ungeschliffen als der des großen Bruders und beschreibt sich selbst als von Dimmu Borgir, Immortal und Nightwish beeinflußt. Dementsprechend bot der Sound immer wieder lange Passagen von ruhigen Keyboard-Klängen und Streicher-Samples und einer wohltuenden Melodik. Selbstverständlich mit entsprechend derben Gegenpolen in Blastbeats, schrillen Gitarrenriffs und dem Gesang von Hansen, der zwischen Screams und Growls genau den richtigen Ton traf. Daneben konnte der gute Mann auch mit einer wundervollen Stimme bei Klargesag punkten. Die Halle war trotz fortgeschrittener Stunde nicht spürbar leerer als beim Headliner Jacob’s Dream. Die vier Herren mit bleich-schmutzig geschminkten Gesichtern ließen es sich bei ihren knapp einstündigen, hervorragenden Auftritt nicht nehmen, auch zwei stimmungsvolle, bisher unveröffentlichte Songs mit den Arbeitstiteln ‚The Moth‘ und ‚Morgenbrodet‘ zu spielen.

Was für ein Abschluss eines einmal mehr gelungenen Festivals – etliche Besucher bezeichneten den Auftritt der Skandinavier als ihr musikalisches Festivalhighlight. Highlighs wird es mit Bestimmtheit auch im kommenden Jahr wieder geben, denn an die hohe Qualität hat sich das treue Publikum inzwischen gewöhnt. Dann wird die kleine Schar weißmetallischer Jünger am dritten Märzwochenende aus halb Europa wieder nach Uster pilgern. Zur 2017er Ausgabe des Elements of Rock Festivals.

Fotos: Andreas Voßeler, Sonja & Daniel Frick
Text und Redaktion: Daniel Frick

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