Confessions Of A Romance Novelist
Prog ist derzeit so poulär wie nie zuvor. Ein Beweis: selbst bei der Bewerbung des Debütalbums von Catherine Anne Davies alias The Anchoress wird allerorts was von „Prog-Pop“ erzählt, sogar den „Limelight-Award“ des englischen Prog!-Magazins hat das Album bekommen (im UK ist die Scheibe bereits seit Januar erhältlich). Wenn man das Album tatsächlich hört, fragt man sich dann doch einigermaßen amüsiert, wie denn heuer die Definition des Prog-Begriffes aussieht. „Confessions Of A Romantic Novelist“ ist nämlich nichts weiter als ein pures, modernes Erwachsenen-Indie-Pop-Album, irgendwo zwischen Florence & The Machine, Bat For Lashes und den schrägeren Momenten von Tori Amos angesiedelt.
Erwartet man aber nicht unbedingt Prog, darf man sich über ein sehr gelungenes Album freuen. The Anchoress agiert textlich unkonventionell (wenn auch gelegentlich etwas prätenziös) und musikalisch außerordentlich ausgereift. Catherine Anne Davies ist nicht nur eine tolle Sängerin mit hohem Wiedererkennungswert, sondern darüber hinaus auch eine talentierte Songschreiberin und Multiinstrumentalistin, die dem Material kräftig einen eigenen Stempel aufdrückt. Zusammen mit Mansuns Paul Draper (der auch ein paar Vocals beisteuert) hat sie die Scheibe auch selbst produziert. Die stilistische Reichweite geht dabei von Tori Amos-/Peter Gabriel-mäßigen Psychodramen wie dem Opener ‚Long Year‘ über radiotaugliche Popsongs mit Achtziger-Schlag wie ‚What Goes Around‘ und ‚One For Sorrow‘ bis zu bittersüßen, dramatischen Balladen wie ‚Doesn’t Kill You‘ oder ‚P.S. Fuck You‘, ohne den roten Faden zu verlieren. Über allem hängt ein leicht entrücktes, sepiagefärbtes, anderweltliches Flair, das seinen Höhepunkt in den komplexen Gesangsarrangements des abschließenden Titelsongs findet. Auf jeden Fall sollte man zur Deluxe-Edition greifen, die enthält nämlich noch eine Bonusdisc mit fünf Akustiksongs, die durch die Reduktion die Klasse der Songs fast noch besser hervorbringen als in den „Vollversionen“. Gelegentlich fühlt man sich bei diesen Versionen gar an die Intensität von Mark Hollis‘ bislang einzigem Soloalbum erinnert.
Nun, auch wenn ich nicht verstehe, warum „Confessions Of A Romantic Novelist“ unbedingt in die Prog-Schublade gesteckt werden muss, gibt es für Freunde leicht angeschrägter und anspruchsvoller Popmusik keinen Grund, hier nicht zuzuschlagen. Die britische Underground-Presse (unter anderem MOJO und die Hipster-Bibel „The Quietus“) sind nicht umsonst von der Dame begeistert. Da Catherine Anne Davies derzeit bereits mit Ex-Suede-Gitarrist und Hitproduzent Bernard Butler (u.a. Paloma Faith, Sophie Ellis-Bextor und The Libertines) am Nachfolger arbeitet, sollte man definitiv hier und jetzt mit der Beobachtung dieser großartigen Neuentdeckung beginnen.