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Colours

Lee Abrahams scheint derzeit einen enormen kreativen Überschuss zu haben: zusätzlich zum fantastischen Galahad-Album „Seas Of Change“ hat er nämlich mit „Colours“ auch noch ein Soloalbum am Start, das – soviel Spoiler darf sein – auch ziemlich knorke geworden ist. Obwohl er sich als Gäste auch jede Menge Prog-Familie wie Declan Burke (Frost), Robin Armstrong (Cosmograf, Big Big Train), Gary Chandler (Jadis) und Marc Atkinson (Riversea) ins Studio eingeladen hat, gibt die Verpflichtung von FM-Stimme Steve Overland doch den deutlichsten Hinweis, wohin die Reise diesmal musikalisch geht: „Colours“ ist nämlich über weite Strecken ein reines, hochmelodisches AOR-Album geworden.

Die ganz harten Prog-Baby-Schlümpfe dürfen nun zum Brecheimer greifen, aber das ändert nichts daran, dass Colours eine durchweg gelungene Angelegenheit ist. Die von Steve Overland gesungene Midtempo-Ballade ‚Always Yours‘ beispielsweise ist genauso gut wie alles, was FM je selbst veröffentlicht haben, und auch ansonsten gibt sich das Album im Songwriting und in der Performance keinerlei Blöße. Lediglich der Drumsound verrät – wie so oft – die Eigenproduktion. Aber ganz offen gesagt mache ich da gerne Abstriche, denn ich höre mittlerweile lieber einen etwas nach Proberaum oder Keller klingenden natürlichen Drumsound als die üblichen Sampledrums, mit denen viele Kollegen sich die Sache einfach und die Musik steril und farblos machen. Und das kann man Lee Abrahams und seinen Kollegen mit Sicherheit nicht vorwerfen. So klingen bei ‚Find Another Way‘ dank Mellotron-Sounds und Robin Armstrongs Gesang durchaus wilsonesque New Artrock-Elemente durch. Und überall gibt’s die klassischen Neoprog-Cleangitarren und gelegentlich ein feines Widdel-Di-Widdel-Di-Synthiesolo – Abrahams, schafft es seine Wurzeln mit den AOR-Klängen zu verzahnen, ohne das die Sache nach „box ticking“ klingt. Und zum Schluss dreht er den Spieß für das zehnminütige ‚The Mirror Falls‘ um: das ist nämlich eine reines Neoprog-Epos, das mit AOR-Hooklines veredelt wurde und jeden Fan von Galahad oder auch Spock’s Beard begeistern dürfte. Als Hidden Track gibt’s noch ein vierminütiges Instrumental, bei dem Abrahams ein weiteres Mal sein Talent für gefühl- und kraftvolle Gitarrenlinien unter Beweis stellt.

Allen, die also neben melodischem Neoprog a la Pallas, mittleren Spock’s Beard oder eben Galahad auch gerne mal ein Album von FM, Asia oder John Wetton solo auflegen, sollten sich hier definitiv angesprochen fühlen. „Colours“ verbindet beide Welten, ohne nach Stückwerk zu klingen und enthält schlicht großartige Songs, die sich sofort in den Gehörgängen festsetzen. Kaufen, das Ding und damit einen höchst unterbewerteten und sympathischen Künstler unterstützen! Erhältlich im Webshop von Just For Kicks – dort könnt Ihr dann auch gerade gleich das letzte Galahad-Album miteintüten!

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