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Cell-0

Bereits der Albumname „Cell-0“ (Silver Lining Music) lässt vielsagend darauf schließen, was sich Apocalyptica auf ihrem neunten Studioalbum vorgenommen haben: Das Cello soll wieder in den Mittelpunkt rücken. Dass dies auch für Apocalyptica nicht selbstverständlich ist, zeigt die Entwicklung der Band bis zum Vorgängeralbum „Shadowmaker“. Auf diesem dominierten erstmals Gesangsstücke, für die mit Franky Perez sogar ein fester Sänger verpflichtet worden war. Von dieser Ausrichtung findet nun eine bewusste und vollkommene Abkehr statt. Sie möchten zurück zum eigenen Fundament, zur ursprünglichen DNA und somit zur „Zelle-0“, wie Bandleader Eicca Toppinen hervorhebt. Zwar würden sie im Gegensatz zu vielen Fans und Kritikern „Shadowmaker“ nach wie vor für ein sehr gutes Album halten, auf der Tour zum 20jährigen Jubiläum ihres Erstlingswerks „plays Metallica“ sei ihnen jedoch bewusst geworden, dass ihre innerste Essenz in instrumentalen Alben wie „Cult“ oder „Reflections“ liege. Das habe ihnen der Kontakt mit den Fans deutlich gezeigt.

Aber wie sieht diese Essenz im Jahr 2020 aus? Apocalyptica begnügen sich nicht damit, lediglich instrumentale Stücke zu schreiben, sondern sie betonen ebenfalls ihre Metal-Wurzeln. Wurde auf den letzten Alben der Einfluss von Alternative-Rock immer deutlicher, ist davon nichts mehr zu spüren. So bieten Mittelteile wie in „Ashes Of The Modern World“ oder „En Route To Mayhem“ Cello-Thrash in seiner feinsten Ausprägung. Dazu sind die Strukturen der Songs wieder deutlich komplexer und stärker am Metal orientiert. Die einzelnen Lieder erhalten mehr Raum zur Entfaltung. Nicht nur wird mit verschiedenen Tempi, Rhythmen oder Taktarten gespielt, sondern auch die klassische Cello-Ausbildung der drei Cellisten kommt zum Tragen. Besonders sticht dies am an Sonaten orientierten Titeltrack hervor. „In Scream For The Silent“ wird sogar vorsichtig, aber erfolgreich ein Synthesizer bemüht. Dieser Abwechslungsreichtum führt zu einer dichten Atmosphäre, von der das Album bis zum Schluss getragen wird und in der ständig neue Spielereien entdeckt werden können. Gleichzeitig erschwert dies bei den ersten Hördurchgängen aber auch den Zugang. Während sich die Stücke der ersten Hälfte nicht gleich erschließen, sind die Melodien im zweiten Teil etwas klarer, differenzierter und somit eingängiger gestaltet.

Apocalyptica vollziehen mit „Cell-0“ einen Schritt, den schon viele Bands vor ihnen gemacht haben, die in einer Sackgasse steckten. Sie gehen einen Teil des Weges auf die angebliche Essenz der Band zurück und kommen damit den Wünschen der Fans entgegen. Ihnen gelingt dies überraschend gut. Ihr neuestes Werk ist nicht nur ein Aufwasch alter Taten, sondern kann problemlos mit diesen mithalten und muss den Vergleich nicht scheuen. Die Stärken der Band und die Einzigartigkeit des Cellos werden gekonnt eingesetzt, weiterentwickelt und um neue Nuancen bereichert.

(Verfasst von Dominik Feldmann)

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